Im Januar feierte die Tanzproduktion Forsythe, eine Hommage des Ballett Zürich an das Werk des Choreografen William Forsythe, im Zürcher Opernhaus Premiere. Der Schweizer Blog balletloversblog.com von Evi Hock schrieb darüber eine Rezension, die wir nun mit allen Tanzliebhabern teilen möchten.
Ein Gastbeitrag von Judith Hunger.
«Busy dancers are happy dancers», sagt William Forsythe. Das spürt man sofort, die Tänzerinnen und Tänzer des Ballett Zürich waren «busy und happy» diesen grossartigen Abend tanzen zu dürfen. Konnten aus dem Vollen schöpfen, mussten unter Umständen über sich hinauswachsen und meisterten das anspruchsvolle Schrittmaterial mit viel Enthusiasmus, Präzision und Lust. Es ist eine Wonne im Zuschauerraum zu sitzen.
Die Programmation garantiert einen wunderbar panoramischen Blick auf das Werk des Grossmeisters William Forsythe. Alle drei Stücke sind Schweizer Erstaufführungen. Neben der choreographischen Handschrift ist ihnen auch die Musik von Thom Willems gemein.
«The Second Detail». Man könnte das Stück den Klassiker des Abends nennen. Es gehört mittlerweile ins Repertoire namhafter Tanzkompagnien auf der ganzen Welt. Die Bühne wie auch die Kostüme sind in hellem Grau gehalten, eine Reihe weisser Stühle steht am hinteren Rand der Bühne. Die Musik gibt hier noch «den Takt» an. Der Tanz ist symphonisch angehaucht, teils kanonisch und dann wieder ausbrechend. Die Tänzerinnen und Tänzer bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Off- und On-Balance. Technisch höchst anspruchsvoll ist die Lust und der Spass der Tänzerinnen und Tänzern deutlich zu spüren.
«Approximate Sonata (2016)» wurde 1996 in Frankfurt uraufgeführt. Das Ballett Zürich zeigt die überarbeitete Version von 2016, welche für das Ballett der Pariser Oper in der Opéra Garnier zur Aufführung kam.
Zu sehen sind fünf Pas de deux und ein Gruppentanz. Die Musik dazu ist atmosphärisch, gibt entsprechend wenig musikalische Anhaltspunkte für die Tänzerin und den Tänzer. Fein abgestimmter Dialog zwischen den Paaren ist gefragt. Und wie das gelingt, ist beeindruckend. Das Setting wie auch die Kostüme erinnern eher an eine Studiosituation – man wähnt sich teilweise in einer Probe. Aber das «yes» hinten an der Wand soll uns sagen: Yes, sie sind tatsächlich in einer Vorstellung.
«One Flat Thing, reproduced» beginnt laut: 20 Tänzerinnen und Tänzer schieben 20 Tische auf die Bühne, schnell und donnernd. Präzise platziert ist es schwer zu sagen, wie viel Abstand genau zwischen ihnen liegt. Eine Frage, die man sich immer wieder stellt, denn die Tänzerinnen und Tänzer bewegen sich zwischen diesen scharfkantigen Tischen mit Präzision, Geschwindigkeit und auch Wildheit. Köpfe streichen liebevoll über deren Flächen, Füsse, Hände, Schulterblätter – alles was der Körper hergibt, spielt, schwimmt, schwebt, springt und schlägt über, unter und zwischen den Tischen.
Atemlos sitzt man im Zuschauerraum, am Ende möchte man am liebsten «Da capo!» rufen. In der Meinung, viel verpasst oder nicht gesehen zu haben. Nur um sich dann an den Rat von William Forsythe zu erinnern: «You have to see the big picture…»
Die Premiere zu verpassen, ist bei Forsythe kein Problem. Es gehört zu seiner Arbeitsweise, dass jede Vorstellung zu einer neuen Premiere wird. Er lässt den Tänzerinnen und Tänzern Spielraum zur Improvisation. Impulse werden anders gesetzt, was zu neuen Konstellationen führen kann. Man hat, zugespitzt formuliert, die Garantie für ein Unikat. Wärmstens zu empfehlen.