Zusammen mit dem Deutschen Literaturarchiv Marbach präsentiert das Schauspiel Stuttgart Texte bekannter deutscher DichterInnen und bietet ebenso Gedichte für Kinderohren.
Pressemitteilung
Jörg Fauser & Else Lasker-Schüler
Ab dem 6. März 2021
Jörg Fauser, 1944 geboren, gilt als Enfant terrible, Pionier der deutschen Beat-Literatur, unbeirrbarer Reporter und begnadeter Kolumnist. 1987 – in der Zeit seiner größten literarischen Erfolge – verunglückte er unter ungeklärten Umständen tödlich bei München auf der Autobahn: offenbar war er dort zu Fuß unterwegs. Sein rätselhafter Tod trug mit dazu bei, dass Fauser zum Mythos wurde. Zu denjenigen, die sich auf Fauser berufen und immer wieder ihn hinweisen gehören Friedrich Ani, Benjamin von Stuckrad-Barre und Michael Köhlmeier.
Die meisten von Jörg Fausers Gedichten scheinen direkt auf der Straße, in Bars, in guten und sehr schlechten Hotels geschrieben worden zu sein. Ihr Ton ist rau und direkt, die Sujets sind mitunter obszön. Selten nimmt Fauser ein Blatt vor den Mund, und Tabus scheinen nur dazu da, sie hinter sich zu lassen. Manchmal klingt Fauser aber auch so zärtlich und verletzlich wie nur wenige Lyriker seiner Generation. Und dann wundert man sich nicht, dass Else Lasker-Schüler seine Lieblingsdichterin war.
Heute ist die überragende Bedeutung von Else Lasker-Schüler fast unumstritten. 1869 wurde die Dichterin und Dramatikerin im heutigen Wuppertal geboren. Zu ihren Bewunderern und Freunden zählten Karl Kraus, Franz Marc und Gottfried Benn. In der Weimarer Republik galt sie als Institution, und 1932 wurde ihr der renommierte Kleistpreis verliehen. Als Jüdin musste Else Lasker-Schüler 1933 in die Schweiz fliehen. Von dort reiste sie wiederholt nach Palästina. 1945 starb sie in Jerusalem.
1967 schrieb der 23-jährige Jörg Fauser über Else Lasker-Schüler einen seiner ersten größeren Essays. Dort heißt es: „Ihr Mythos lässt sich so schwer in Fakten eines bürgerlichen Lebens übertragen wie eine orientalische Legende. Die Chronisten haben es schwer mit ihr, die sogar, als sie einen wesentlich jüngeren Mann heiratete, den Schriftsteller Herwarth Walden (ein Name, den sie ihm gab und unter dem er bekannt wurde), ihr Geburtsjahr neun Jahre vordatierte und so, als man ihren 50. Geburtstag feierte, schon fast 60 war. […] Die Durchdringung ihres Lebens mit ihrer Poesie bis zu jener Vollendung, in der eins mit dem anderen unauslöslich verbunden ist, macht – abgesehen von der Gewalt ihrer poetischen Sprache, der Tiefe und der Weite ihrer Imagination, der klassischen Einfachheit ihrer Form – heute so sehr wie eh und je die Faszination ihrer Gestalt und Dichtung aus.“
Der Nachlass von Jörg Fauser und ein bedeutender Teilnachlass von Else Lasker-Schüler befinden sich im Deutschen Literaturarchiv in Marbach a. N. – Im Literaturmuseum der Moderne wird nach dem Lockdown auch weiterhin die Ausstellung „Planet Motzstraße. Else Lasker-Schülers Lebenszeichen aus Berlin“ mit bislang unbekannten Briefen, Postkarten und Zeichnungen zu sehen sein.
Das Lyriktelefon für Kinder
Ab dem 10. März 2021
Ab dem 10. März liest das Ensemble des Schauspiels Stuttgart am Lyriktelefon einmal pro Woche Gedichte für Kinder ab 6 Jahren. Jeden Mittwoch zwischen 16:00 und 18:00 Uhr entführen die Schauspieler*innen die kleinen Zuhörer*innen in die abenteuerlichen, lustigen und zauberhaften Welten von Paul Maar, James Krüss, Christian Morgenstern und anderen Dichterinnen und Dichtern. Ein lyrisches Hörvergnügen für die ganze Familie.
Welches Tier ist mutiger, prächtiger, listiger, mächtiger als alle anderen? Was macht der Marabu nachts in der Oase? Wo ist das Königreich von Nirgendwo und warum heißen alle Möwen Emma? All diesen Fragen geht das neue Lyriktelefon für Kinder auf den Grund. Denn Gedichte sind nicht nur etwas für Erwachsene, auch das junge und sehr junge Publikum soll im Frühling Telefontheater erleben dürfen.
Immer mittwochs, 16:00 bis 18:00
Ab 6 Jahren
Am Telefon: Boris Burgstaller, Katharina Hauter, Valentin Richter, Klaus Rodewald, Anke Schubert und Michael Stiller
Weitere Folgen sind geplant mit Gedichten von Helga M. Novak, Gottfried Benn, Ivan Goll, Hermann Hesse, Robert Gernhardt, Hans Magnus Enzensberger, Günter Grass, und Peter Rühmkorf.
Vom Théatrophone zum Lyriktelefon
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Théatrophone berühmt: Mit Hilfe des Telefons wurden damals Opern- und Theateraufführungen in die Salons des Pariser Bürgertums übertragen – live. Nicht nur der Schriftsteller Marcel Proust gehörte zu den begeisterten Zuhörern dieses telefonischen Theaters. Dial-A-Poem nannte der amerikanische Performancekünstler und Lyriker John Giorno 1968 seine Aktion, bei der auf Tonbändern aufgenommene Gedichte telefonisch abgehört werden konnten.
In Zeiten reduzierter sozialer Kontakte, in denen unsere Bühnen geschlossen sind, entdecken wir das Telefon als künstlerisches Medium wieder. Am Lyriktelefon lesen Schauspielerinnen und Schauspieler des Stuttgarter Staatstheaters Zuhörerinnen und Zuhörern Gedichte vor. Der Fernsprecher imaginiert persönliche Anwesenheit. So werden die eigenen vier Wände zum Raum für Fantasien, ja zur Bühne.
Krisenzeiten sind Hochzeiten der Nachbarschaftshilfe: Für das Lyriktelefon kooperiert das Schauspiel Stuttgart mit dem Deutschen Literaturarchiv Marbach, das im Literaturmuseum der Moderne die Ausstellung Hölderlin, Celan und die Sprachen der Poesie zeigt. So stehen im Lyriktelefon Dichterinnen und Dichter im Vordergrund, deren Handschriften in Marbach gesammelt werden.
PRAKTISCHE INFORMATIONEN
- Ab dem 21. Januar ist das Lyriktelefon von Montag bis Freitag, jeweils von 17 bis 19 Uhr wieder aktiv.
- Kostenlose Termine können ab dem 20.01.2021 bis jeweils 11 Uhr eines „Vorstellungstags“ online gebucht werden unter www.schauspiel-stuttgart.de/spielplan.
Über Spenden freut sich die Künstler*innen Soforthilfe Stuttgart: Empfänger: Kultig e. V.
GLS Bank
IBAN: DE21 4306 0967 7005 4549 00
Betreff: „Künstlersoforthilfe“
Foto: Björn Klein