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Engel der Verzweiflung

Régis Campo adaptiert das Theaterstück Quai West des Dramatikers Bernard-Marie Koltès für die Oper: Eine Reise tief hinein in die Seele des Menschen.

Seit Ende der 80er Jahre sind wir es von der Opéra du Rhin gewohnt, ein zeitgenössisches Werk zu sehen, in der Regel zu Beginn der Spielzeit. Für die Spielzeit 2014-2015 wurde bei Régis Campo als Koproduktion mit dem Staatstheater Nürnberg eine Oper in Auftrag gegeben. Die Wahl fiel auf das Theaterstück Quai Ouest (Quai West) des verstorbenen Dramatikers Bernard-Marie Koltès, was angesichts der Dichte des Textes keine leichte Aufgabe war. Gleich zu Beginn des Projektes äußerte der Komponist aus Marseille daher den Wunsch, nicht nur Florence Doublet, die das Libretto schrieb, sondern auch Regisseur Kristian Frédric kennen zu lernen. Aus der Diskussion der drei ist eine Adaption hervorgegangen, die den Geist des ursprünglichen Textes, seinen Stil und seinen Rhythmus bewahrt. Die poetische Kraft der Dialoge ist brillant wiedergegeben, in einem surrealen, verzweifelt wirkenden Endzeit-Szenario, auf halbem Weg zwischen Pier Paolo Pasolini – mit seinem Teorema – Gemometrie der Liebe als wichtigster Inspirationsquelle – und Luis Buñuel. Diese wird durch die überaus schlichte Inszenierung verstärkt, die der Handlung meisterhaft als Rahmen dient: Ein Mann, der alles verloren hat und in einem Hangar den Freitod sucht, gibt alles her, was er hat – seine Rolex, seine Goldmanschetten und seinen Ring – nur um im Gegenzug seine Taschen mit Steinen füllen zu können, die ihn besser auf den Grund des Flusses ziehen. In diesem No-Man’s-Land als symbolischem Ort für den Grenzbereich zwischen Leben und Tod begegnet et weiteren Gestalten, von denen einige den Ort verlassen wollen und andere ihre eigene Existenz hinterfragen. Eines ist sicher: Die Produktion wirft uns auf unsere eigenen existenziellen Fragen zurück, und ob wir hinterher noch so unbeschwert sind wie vorher, sei dahingestellt. (E.A.)

Foto © Simone Poltronieri


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