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Der Preis des Erinnerns

In Je suis fragt die russischstämmige Theatertruppe Teatr KnAM nach dem Wert von Erinnerungen und ihren Auswirkungen auf das Kollektivgedächtnis. 

Wenn man den Schaffensprozess der Kompanie Teatr KnAM erklären will, muss man sich näher mit der Geschichte des Städtchens befassen, dem ihre einzelnen Mitglieder entstammen. Komsomolsk am Amur ist eine kleine Ortschaft im fernen Osten Russlands, offiziell von tapferen jungen Soldaten im Kommunismus errichtet. Doch dieses geschönte Bild ist nichts weiter als der Mythos eines autoritären Reichs. Jeder weiß, dass die Stadt in den 1930er Jahren von Zwangsarbeitern des Gulags errichtet wurde. Fest entschlossen, sich der allgemein vorherrschenden Lethargie entgegen zu stemmen, rüttelt das Theatr KnAM das Bewusstsein durch nonkonformistisches Theater wach, das halb dokumentarisch, halb experimentell ist.  
In Je suis reflektiert Tatiana Frolova über die doppelte Bedeutung von Erinnerungen, sowohl im Hinblick auf den einzelnen Menschen als auch im Hinblick auf die Gesellschaft. Die  Erinnerungsfetzen einer an Alzheimer erkrankten Mutter werfen die Frage nach individueller Identität auf, aber auch nach dem kollektiven Geschichtsgedächtnis. Wer bin ich, wenn ich nicht weiß, wer meine Vorfahren sind, wenn ich nichts über die Stadt weiß, aus der ich stamme, oder über mein Volk? Aus der Überlagerung von Archivmaterial (Zeitzeugenberichte, Artikel, Gedenkschriften usw.) entsteht ein emotional stark aufgeladenes Theater, das die Erinnerungen freisetzt. Je suis ist ein in erster Linie menschliches und engagiertes Stück gegen die Knebelung der Meinungsfreiheit. (C.T.) 

Foto © Igrestov


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