Deutschland sucht den Supermieter: „Die Lage“ von Thomas Melle im Schauspiel Stuttgart.
Wie ist es um die viel gepriesene Einheit unserer Gesellschaft bestellt, wenn sich die begehrten Innenstädte zunehmend in Festungen des Luxus verwandeln, die für Normalbürger*innen immer unerreichbarer werden? „Die Miete ist die soziale Frage unserer Zeit“, heißt es im Stück, welches eines der drängendsten Probleme der Gegenwart umkreist.
Die Wohnungsbesichtigung als Castingshow: attraktiv, erfolgreich, mit dickem Bankkonto und einem vorzeigbaren Partner versehen – so sieht er aus, der Mieter oder die Mieterin mit Chancen. Um ein WG-Zimmer, eine Dreizimmer-Altbauwohnung in einem aufstrebenden Viertel oder gar ein Loft über den Wolken zu ergattern, muss Intimes offengelegt werden. Die Bewerber*innen haben nicht nur Akustikproben sexueller Betätigungen, sondern auch ein Zertifikat eines Schlaflabors zur Bestimmung des Schnarch-Lautstärkepegels abzugeben.
Thomas Melle hat eine Symphonie unterschiedlichster Stimmen komponiert: Maklerinnen und Journalisten, Durchschnittsverdiener und reiche Erbinnen, Wegsanierte und An-den-Rand-Gedrängte tummeln sich auf dem modernen Kriegsschauplatz Wohnungsmarkt. Gebrüll ertönt auf imaginären Barrikaden, ein Chor beschwört die Sonne, auch die eigene „kleine Koje“ zu erwärmen.
Mit zunehmender politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit wird die eigene Wohnung zum Bollwerk gegen die „Fährnisse der Zeit“, eine Verheißung privaten Glücks, das mit allen Mitteln erkämpft werden muss. Nachbarschaften werden durchleuchtet und Toilettendesign zur Lebenseinstellung hochstilisiert. Auch in vermeintlich sozial eingestellten Bevölkerungsschichten wird Wohnen wieder zum Distinktionsmerkmal.
BESETZUNG
MIT Boris Burgstaller, Josephine Köhler, Marietta Meguid, Jannik Mühlenweg, Sebastian Röhrle
PRAKTISCHE INFORMATIONEN
- Uraufführung
- Dauer: 1h30, keine Pause
- Weitere Informationen auf der Website des Schauspiel Stuttgart: www.schauspiel-stuttgart.de
Fotos: Björn Klein