Der Sog der Zeit
Thom Luz bringt den 1200 Seiten umfassenden Klassiker Der Zauberberg auf die Bühne: Eine intensive Aufführung, die die essentiellen Fragen und die entrückte Atmosphäre des Meisterwerks aufgreift.
Der junge Hans Castorp reist kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges in die Berge von Davos, um seinen kranken Vetter zu besuchen. Dieser verweilt in einem Sanatorium für wohlhabende Tuberkulosekranke, die in der Entlegenheit des „Zauberbergs“ nach Genesung streben. Thomas Manns Protagonist ist fasziniert von der tiefgründigen Intellektualität der Erkrankten und vergisst darüber vollends die Zeit: Aus seinem dreiwöchigen Aufenthalt werden sieben Jahre, die ihm zwischen den Fingern zu zerrinnen scheinen, als er sich mit der brutalen Realität des ersten Weltkrieges konfrontiert sieht.
Dieser Roman, der als eines der Hauptwerke Thomas Manns gilt, ist zugleich Gesellschaftsportrait, Märchen und Parodie auf den klassischen Bildungsroman des 18. Jahrhunderts. Der junge Schweizer Regisseur Thom Luz, den wir in der Kaserne Basel und auf dem Festival Premières entdeckt hatten, und nun Hausregisseur am Theater Basel ist, bemächtigt sich des Buches auf kühne Weise. Er knüpft an Themen an, die er bereits in seinen Inszenierungen When I die und Die Leiden des jungen Werther zur Sprache gebracht hatte: Krankheit, die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens und die Zeit. Der Zauberberg – Roman und Inszenierung – lebt aber auch von seiner Musik. Mahler, Beethoven und Wagner begleiten die Handlung und kreieren eine entrückte Stimmung, die dem Fluss der Zeit zu entfliehen scheint. (S.O.)
Foto © Simon Hallström