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Theaterfestival Basel 2020: Ein internationaler Querschnitt des zeitgenössischen Tanz-und Theaterschaffens.

 

Der neue Festivalleiter Sandro Lunin und sein Team haben insgesamt 17 Gruppen aus 13 Ländern zum Theaterfestival nach Basel eingeladen, um vom 26. August bis 6. September einen spannenden Querschnitt zeitgenössischen Tanz- und Theaterschaffens in Basel zu zeigen.

 

Zeiten der Krise und der Verunsicherung bieten die Chance, über eingeübte Strukturen, verkrustete Traditionen und zur Gewissheit gewordene Haltungen nachzudenken, eingeübte Narrative in Frage zu stellen und neue Entwürfe einzufordern.

Das Programm des diesjährigen Theaterfestivals reflektiert diese Chance: Vielstimmig, kraftvoll, mutig und leidenschaftlich zeichnen die eingeladenen Künstler*innen in ihren Arbeiten unsere Welt als eine gestaltbare und veränderbare und laden ein zu Auseinandersetzung und lebendigem Austausch. Dabei nimmt einerseits die Form des Solos eine zentrale Position ein – und andererseits auch Projekte, die das Gemeinsame feiern.

Im Zentrum stehen dabei die Fragen, die uns zu Zeiten von Pandemie und Physical Distancing wieder mehr denn je beschäftigen: nach der Rolle des Einzelnen in der Gesellschaft, nach der Relevanz von Begegnung und Austausch und nach dem Potential eines gemeinschaftlichen Miteinanders.

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Yasmine Hugonnet „Extensions“ I Anne-Laure Lechat

Der Eröffnungsreigen

Der Eröffnungsreigen am 26. August beginnt mit einer Publikumsperformance des deutschen Performancekollektivs LIGNA. «Zerstreuung jetzt! Ein internationales Radioballett» reagiert auf die Pandemie des Covid-19-Virus und stellt in Zeiten von Vereinzelung und geschlossenen Grenzen eine neue Verbundenheit über Länder und Kontinente hinweg her. Das mit Kopfhörern und Masken ausgestattete Publikum hört und performt – vereinzelt auf dem Kasernenareal und doch gemeinsam – eine Choreografie aus Gesten und Bewegungen, die zwölf internationale Künstler*innen gestaltet haben. Sie erinnern auch an die abwesenden Körper, die in diesen Räumen nicht erscheinen können.

Zeitgleich startet im Rossstall 1 der Kaserne die Videoinstallation «The Critical Dictionary of Southeast Asia» des renommierten Medienkünstlers Ho Tzu Nyen aus Singapur. Im unendlichen Loop werden Einblicke in ein dynamisch wachsendes, sich in immer neuen Logarithmen ständig neu zusammensetzendes Archiv gezeigt, das sich mit der vielschichtigen und zerrissenen Identität seiner Heimat Südostasiens beschäftigt und immer wieder neue, unbekannte Varianten und Lesarten hervorbringt. Einen physisch erlebbaren Zugang zu Ho Tzu Nyens spannendem Alphabet bietet die 15minütige Virtual Reality- Erfahrung «R for Resonance».

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Mithkal_Alzghair „Déplacement“ I Dajana Lothert

Nach der feierlichen Eröffnung mit Grussworten von Regierungspräsidentin Basel-Stadt Elisabeth Ackermann und Regierungsrätin Basel-Land Monica Gschwind, wird die brasilianischen Choreografin Lia Rodrigues auch für all diejenigen sprechen, die am Theaterfestival nicht anwesend sein können.

Den Eröffnungsreigen schliesst der syrische Choreograf Mithkal Alzghair mit «Déplacement», einer feinen und berührenden tänzerischen Reflektion, die als Solo beginnt und sich zum Trio entwickelt. Darin geht es um die widersprüchlichen Erfahrungen von Flucht und Migration und um die Ungewissheit eines Lebens im Exil.

 

Begegnungen mit dem «Anderen»

Die Publikumsperformance von LIGNA rollt den inhaltlichen Teppich aus für mehrere Arbeiten, die auf ganz unterschiedliche Weise dazu einladen, sich auf fremde Lebensgeschichten und – realitäten einzulassen. So hat die estnische Dokumentarkünstlerin Kristina Norman für ihre Lecture Performance «Lighter Than Woman» ukrainische Care-Arbeiterinnen begleitet, die in Italien bettlägerigen Familienangehörigen das Leben leichter machen.

In «Chinchilla Arschloch, waswas» von Rimini Protokoll bringen drei Menschen mit Tourette-Syndrom und eine Musikerin die eingeübten Konventionen des Theaters gehörig ins Wanken. Das belgische Medienkollektiv BERLIN lässt in «True Copy» den niederländischen Meisterfälscher Geert Jan Jansen aus seinem turbulenten Leben berichten und über den Wert von Authentizität reflektieren. Zum Abschluss des Festivals zeigt die argentinische Regisseurin Lola Arias an drei Tagen insgesamt neun spannende Selbstportraits als Unikate, die sie mit Schauspieler*innen aus dem neuen Ensemble des Theater Basel erarbeitet hat.

Lola Arias_Selbstportrait_© Dona Asisi_Theaterfestival Basel_szenik
Lola Arias I Dona Asisi

Aufräumen mit Klischees und Rütteln an Konventionen

Zahlreiche starke künstlerische Stimmen räumen am Theaterfestival auf mit Klischees und rütteln an bestehenden Konventionen: So befragt die österreichische Choreografin Florentina Holzinger mit ihrem radikalen, im wörtlichen Sinne «unter die Haut» gehendem Spektakel «TANZ» den Schönheitskult im klassischen Ballett.

Oona Doherty aus Nordirland stellt in «Hope Hunt & The Ascension into Lazarus» in einer einmaligen Bewegungssprache Geschlechterstereotype auf den Kopf. In Marion Siéferts «Du Sale!» verbinden die jungen Performerinnen Janice Bieleu und Laetitia Kerfa Litefeet-Tanz und Rap-Musik zu einer kraftvollen und wütenden Selbstbehauptung gegen Vorurteile. Und der junge südkoreanische Performer Jaha Koo wagt in seiner Soloperformance «The History of Korean Western Theatre» einen kritischen Blick auf den Verlust von Authentizität und Selbstbestimmung in der koreanischen Theatertradition.

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Oona Doherty „Hope Hunt“ I Luca Truffarelli

Neue Blickwinkel und erweiterte Horizonte

Dass es sich lohnt, ab und zu den Blickwinkel zu verändern, damit sich neue Horizonte öffnen, macht Yasmine Hugonnet aus der Schweiz mit ihrer tänzerischen Installation «Extensions» beim Outdoor Parcours auf der Kraftwerkinsel Birsfelden erlebbar.

Die libanesische Choreografin und Tänzein Khouloud Yassine führt mit «Heroes – Surface of a Revolution» am Tinguely Museum vor, wie Bilder der Macht entstehen – und wie leicht man sie durchschauen und dekonstruieren kann. Und der brasilianische Choreograf und Tänzer Volmir Cordeiro lädt mit «Rua» auf dem Theaterplatz dazu ein, den Blick einmal auf die Randständigen und Unterschätzten unserer Gesellschaft zu richten.

Marion Siéfert_Du Sale!_©WillyVainqueur_Theaterfestival Basel_szenik
Marion Siéfert „Du Sale!“ I Willy Vainqueur

Neue Narrative und lustvolle Feier der Kreativität

Nicht zuletzt zeugen die am Theaterfestival gezeigten Arbeiten alle davon, wie lustvoll die Arbeit an neuen Narrativen sein kann. Auf 17 verschiedene Arten laden sie dazu ein, die Kraft der Kreativität und des Theaters zu feiern. Für das junge Publikum präsentiert die Schweizer Gruppe Kolypan eine furiose Neuerzählung des Kinderbuchsklassikers «Die Unendliche Geschichte» von Michael Ende in einer wilden Mischung aus Erzähl- und Objekttheater.

François Gremaud aus der Westschweiz zeigt «Phèdre!» als brillante und urkomische Überschreibung des französischen Klassikers, bei der ein Darsteller sämtliche Rollen alleine meistert – und ganz nebenbei auch noch eine leidenschaftliche Liebeserklärung an das Theater liefert. Nicht zu vergessen: die grossartigen Artist*innen des französischen Cirque Trottola, die in ihrem Stück «Campana» nicht nur der Schwerkraft trotzen, sondern auch beweisen, dass das scheinbar Unmögliche manchmal eben doch machbar ist.

Francois Gremaud_Phèdre!2_©Loan Nguyen_Theaterfestival Basel_szenik
Francois Gremaud „Phèdre!“ I Loan Nguyen

Diskurs- und Workshopformate

Verschiedene Diskurs- und Workshopformate sind geplant, um den Austausch zwischen Publikum und Künstler*innen anzuregen: «Let’s Talk!» zum Beispiel ist ein Diskussionsformat, das in Interaktion mit den Künstler*innen, lokalen und internationalen Expert*innen und dem Publikum wichtige Festivalthemen aufgreift und debattiert, die sich als roter Faden durch die eingeladenen Arbeiten ziehen.

In verschiedenen Workshops, u.a. mit der Tänzerin von «Hope Hunt & The Ascension into Lazarus», Sandrine Lescourant aka Mufasa, und in einer Masterclass mit Florentina Holzinger kann man eingeladenen Künstler*innen bei der Arbeit kennenlernen.


Weitere Informationen auf der Website des Theaterfestivals Basel: www.theaterfestival.ch

 

 

Foto: Florentina Holzinger „TANZ“ I Eva Würdinger


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