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Eine Stimme verliehen

Inspiriert von Choderlos de Laclos‘ Briefroman und von Heiner Müllers Bühnenbearbeitung Quartett von 1980, zeigt Anne Théron ihre persönliche Version der Gefährlichen Liebschaften im Spannungsfeld der Epochen und Sitten. 

Sie ist berechnend und selbstsüchtig, er ist manipulativ und ohne Moral. Die Marquise de Merteuil und der Vicomte de Valmont finden sich in Ne me touchez pas von Anne Théron zu einem letzten Duell ein, obgleich ihr Verführungsdrang endlich nachzulassen scheint. Im Mittelpunkt steht der Dialog, der um die Frage kreist, was aus den Frauen wird. In der Tat lässt Laclos in seinem Roman wenig Raum für eine mögliche Erlösung von den Daseinsbedingungen als Frau. Die Marquise de Merteuil stirbt, in Schande und von Krankheit gezeichnet, ebenso wie ihre naive Gegenspielerin, Madame de Touvel, aufgerieben von einem zerstörerischen Verlangen. Das Treffen findet in einem Badezimmer statt; der Putz bröckelt von den Wänden, dichte Dunstschwaden durchziehen den Raum: Die beiden Verführer läutern dort ihre Seelen, während sie zurückblicken und durch das Heraufbeschwören ihrer vergangenen Eroberungen nach einem letzten bisschen Vergnügen suchen. Wir sind durchaus im 18. Jahrhundert – darauf deutet die Sprache hin, die Anne Théron als Hausregisseurin des Théâtre National de Strasbourg wählt – aber die Aussage des Textes ist modern. Mit den Codes unserer modernen Zeit hinterfragt sie das Begehren ebenso wie die Fatalität und taucht dabei in das Unterbewusstsein der Figuren ein. Diesen dunklen Punkt versucht die unsichtbare Figur der „Stimme“ durch ihre externe Einmischung zu erhellen: Vielleicht ist sie der Schlüssel zu den gequälten Seelen. (C.T.)


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