Wie ein Phönix aus der Asche
Was passiert nach der Schlacht? Welche Gedanken durchströmen den Schlachtenden? Zerreißt ihn der Akt oder kann er seine Flügel ausbreiten und davonfliegen?
Es gibt nur wenige Mythen, die uns markieren, die ihre Spuren in unseren Köpfen hinterlassen. Die Geschichte von Medea, einer Frau, die alles für die Liebe aufgab, von ihr betrogen wurde und schließlich das Unvorstellbare unternimmt (sie tötet ihre Kinder, um ihrem Mann, Jason, ebenfalls das Glück zu entreißen), kann nicht einfach durch ein Wald- und Wiesenpicknick vergessen werden. Unzählige Male hat diese Figur Künstler der Musik und Bühne in Staunen versetzt, entflammt. So auch Heiner Müller, der in seiner Fassung Medea zu Wort kommen lässt, bis die Wut ihre Haut aufreißt und zu bluten beginnt.
Anatoli Vassiliev hat Médée-Matériau bereits 2002 inszeniert. Nun, 15 Jahre später, öffnet er noch einmal das Herz dieses leidenden Wesens, dessen Taten nichts an Erschütterung verloren haben. Er wirft den Schlüssel weg und lässt Medeas Esprit, dank der brillanten Valérie Dréville, argumentieren. Was geht in ihr vor als sie sich der Magie zuwendet, um die Rache ausleben zu lassen? Als sie über Vernunft und Boden tobt und ihren Kindern das Leben nimmt, alles auslöscht? Musste sie dies tun, um frei zu sein? Um sich wiederzufinden? Um herauszufinden, woraus ihr Bewusstsein geformt ist? Brauchte es dieser Gnadenlosigkeit um sich Gehör zu verschaffen, um sich von allen Ketten loszureißen? Ein Schauspiel, welches das Innerste eines Seins preisgibt, das gnadenlos dem Schmerz einen Körper leiht. Doch, was von ihr ist noch übrig? (J.L.)
Mit Valérie Dréville
Foto © Jean-Louis Fernandez