Von der Tragödie zur Komödie
Robert Gerloff inszeniert Brechts Parabel über den Nationalsozialismus als rasante, slapstick-artige Gangsterkomödie, die den Zuschauer ins Chicago der 1930er entführt.
Ein Theaterstück für Filmliebhaber: Kaum geht das Licht im Theatersaal aus flimmern Filme über die Leinwand – witzige Remakes von Klassikern wie Psycho, Shining, Scarface oder dem Hitler-Melodram Der Untergang. Letzterer weist dabei schon in die Richtung, in die sich dieser Abend bewegen wird, denn die Gangstergeschichte, die gleich darauf auf der Bühne zu sehen ist, ist nichts anderes als Bertolt Brechts Parabel über den Nationalsozialismus Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui.
Sie ist nicht schwer zu entschlüsseln: Da ist der brutale und skrupellose Gangster Arturo Ui, daneben seine kleinkriminellen Gefolgsleute und ein eingeschüchtertes Volk, dass ihn zum Volksvertreter wählt – oder aus dem Weg geräumt wird.
Als Kulisse für diese rasante und durchaus komische Gangstergeschichte hat Regisseur Robert Gerloff eine große Bar gewählt, wie sie wohl so ähnlich auch im Chicago der 1930er Jahre zu finden war, zu Zeiten Al Capones und Konsorten. Der Zuschauer selbst wird mitten ins Geschehen gezogen, denn er ist Teil dieser Szenerie – Gast an einem der Tischchen, an denen er mit kleinen Häppchen und Spirituosen bewirtet wird. Eine Sängerin mit rauchiger Stimme singt dazu Jazzballaden.
Und dann wirbelt alles in einer rasanten Inszenierung durcheinander: Tragödie wird zu Komödie, Film zu Schauspiel, Terror zu Slapstick. Alles steht Kopf, bis selbst die Geschichte hinterfragt wird: Wäre der Aufstieg aufzuhalten gewesen? (tbr)
Photo © Judith Schlosser