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Die Regisseurin Karin Lind telefoniert mit ihrem Vater. „Weinst du, Papa? Kein Sturm haut
uns um. Wir werden mit allem fertig.“ Der gefeierte Regisseur Erik Lind soll König Lear von
William Shakespeare inszenieren. Jetzt liegt er nach einem Herzinfarkt in einer Klinik. Die
Tochter tritt sein Erbe an, um seine letzte große Inszenierung zu retten. In stürmischen
Probennächten taucht sie in die Geschichte des alten Königs Lear und in die ihrer eigenen
problematischen Beziehung zu ihrem Vater ein. Shakespeare erzählt vom einst mächtigen
Lear. Nun ist er alt und schwach. Um sich noch einmal der Liebe seiner Töchter zu vergewis-
sern, sollen sie vor der Aufteilung des Erbes ihre Zuneigung zu ihm bekunden. Der Preis ist
der größte Teil seines Königreichs. Die jüngste Tochter verweigert diesen Wettbewerb: Sie
liebe ihren Vater Lear so, wie ein Kind seine Eltern lieben sollte, nicht mehr, nicht weniger.
Es ist nicht das, was der Vater hören will. Enttäuscht und wütend verstößt Lear seine jüngste
Tochter. In Auseinandersetzung mit dem Stoff König Lear beginnt Karin zu zweifeln: Wie
viel ist sie ihrem in der Vergangenheit tyrannischen, jetzt todkranken Vater schuldig?
In seiner Bearbeitung Lear nach William Shakespeares Tragödie König Lear von 1606
arbeitet Falk Richter die archaischen Bilder und die poetische Kraft des Klassikers heraus
und überträgt sie ins Heute. Wie viel Leid hat die Hybris unserer Väter verursacht? Wie
lernen wir Achtsamkeit und Verzicht auf eigene Privilegien? Richter thematisiert Menschen,
die sich im Untergang die Frage nach der Möglichkeit von Selbsterkenntnis, Verantwortung
und Verzeihen neu stellen müssen. Wir sind Produkt unserer Umwelt, unserer Familien und
Eltern, heißt es. Doch inwieweit stellt der Vertrag zwischen den Generationen ein unentrinn-
bares Erbe unserer Existenzen dar?
Falk Richters Shakespeare-Bearbeitung Lear wurde im September 2024 in Stockholm
uraufgeführt, ebenfalls in seiner Regie. Für die deutschsprachige Erstaufführung in
Stuttgart hat Richter seinen Text überarbeitet und mit den Schauspieler*innen des Stutt-
garter Ensembles weiterentwickelt. Richter schreibt häufig selbst die Texte für seine
Inszenierungen oder entwickelt sie kollaborativ mit dem Ensemble. Seine Texte sind oft
essayistisch, fragmentarisch. Themen wie Identität, Macht, Kapitalismus und soziale
Isolation stehen oft im Mittelpunkt – so auch in seiner Adaptation von Shakespeares König
Lear. Falk Richters Inszenierungen sind in der Regel durch einen atmosphärisch dichten und
immersiven Einsatz von Video- und Soundelementen gekennzeichnet. Der Einsatz von
Technologie spiegelt moderne Kommunikationsformen wieder. Seine Arbeiten greifen
immer wieder gesellschaftspolitische Themen wie Globalisierung, Neoliberalismus oder die
LGBTQ+-Rechte auf. In Lear setzt Richter seine intensive Auseinandersetzung mit den
Themen „Erben“ und „Generationenkonflikt“ fort, die bereits in seinem autofiktionalen
Stück The Silence eine wichtige Rolle spielten, mit dem er gerade zum dritten Mal zum
Berliner Theatertreffen eingeladen war. Richters Mischung aus persönlich direktem Ton
und einer Offenheit, die sich mit gesellschaftlichen Themen und Analysen verknüpft, machen seine Inszenierungen auch international – vor allem in Frankreich – so gefragt und erfolgreich.

 

Inszenierung: Falk Richter
Bühne: Wolfgang Menardi, Kostüme: Zana Bosnjak, Musik: Daniel Freitag,
Video: Stefano DiBuduo, Licht: Carsten Sander, Co-Lichtdesign: Matthias Kammüller,
Dramaturgie: Benjamin Große
MIT:
André Jung (Lear / Regisseur Erik Lind), Sylvana Krappatsch (Karin Lind, seine Tochter
und Regisseurin), Rainer Galke (Gloster), Felix Strobel (Edgar), David Müller (Edmund),
Michael Stiller (Kent / Narr), Karl Leven Schroeder (Oswald / Lucas, Assistent der
Regisseurin), Katharina Hauter (Goneril), Josephine Köhler (Regan), Mina Pecik
(Cordelia), Marietta Meguid (TV-Host, Videoeinspieler) und Comedians (Videoeinspieler)

www.schauspiel-stuttgart.de


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