Im 19. Jahrhundert avancierte die Oper La Juive (Die Jüdin) von Fromental Halévy (1799-1862) – komponiert auf ein Libretto von Eugène Scribe – mit über 500 Vorstellungen allein in Paris und zahlreichen weiteren Aufführungen in ganz Europa zu den meist gespielten Werken. Die Reaktionen auf die Pariser Uraufführung 1835 waren jedoch so gespalten wie die damalige französische Gesellschaft: Konservative Kritiker mokierten sich über das „jüdische Sujet“ und die negative Darstellung der katholischen Kirche; republikanischen Zuschauern, die der Pariser Oper ohnehin kritisch gegenüber standen, ging die Religionskritik wiederum nicht weit genug. Beim bürgerlich-liberalen Justemilieu, auf das sich König Louis Philippes Herrschaft stützte, fand das Werk hingegen großen Zuspruch – nicht zuletzt wegen seiner mitreißenden Musik. Halévy, zu dessen Vorbildern neben seinem Kompositionslehrer Cherubini insbesondere Mozart zählte, erzeugt bereits in der Ouvertüre eine Tektonik, die lyrische Momente unversehens in destruktive Klangkaskaden umschlagen lässt. Die gegensätzlichen Handlungsmotivationen der Figuren treten in großformatigen Arien hervor und werden in virtuosen Ensembles einander gegenübergestellt. Der Chor versinnbildlicht dabei jenen kollektiven Hass, der immer mehr zum Motor des Geschehens wird.
Konstanz zur Zeit des Kirchenkonzils 1414: Der jüdische Goldschmied Éléazar wagt es, an einem christlichen Feiertag zu arbeiten, woraufhin eine Volksmenge ihn und seine Adoptivtochter Rachel im See ertränken will. Beschützt werden die beiden vom Reichsfürsten Léopold, der eine heimliche Liebesbeziehung mit Rachel führt. Als Léopold diese Verbindung beendet, klagt ihn Rachel öffentlich der Unzucht an. Kardinal Brogni verurteilt daraufhin Léopold, Éléazar und Rachel zum Tod, allerdings ohne zu wissen, dass er selbst Rachels leiblicher Vater ist…
Für die musikalische Leitung kehrt Henrik Nánási an die Oper Frankfurt zurück, wo er bereits 2009 mit La bohème debütierte sowie u.a. bei I masnadieri (Verdi), L’étoile (Chabrier) und La gazza ladra (Rossini) das Dirigat übernahm. Tatjana Gürbaca hat sich als Regisseurin für selten gespielte Opern einen Namen gemacht. 2022 inszenierte sie in Frankfurt Ulisse von Luigi Dallapiccola – eine Produktion, die bei Presse und Publikum auf viel Zuspruch stieß. Ambur Braid (Rachel), die von 2018 bis 2023 festes Mitglied des Frankfurter Ensembles war, ist dem Haus nach wie vor eng verbunden und kehrte in dieser Spielzeit in ihrer Paraderolle, der Salome, an ihr früheres Stammhaus zurück. Nach seinem Rollendebüt als Werther 2014 und gefeierten Auftritten als Arturo 2018 in Bellinis I puritani singt John Osborn in Frankfurt nun Éléazar in La Juive, gefolgt von einem Liederabend am 8. Juli 2024. Der südkoreanische Bass Simon Lim debütierte 2019 als Filippo II. (Don Carlo) an der Oper Frankfurt und ist hier nun als Kardinal Brogni zu erleben. Alle weiteren Partien werden von Ensemblemitgliedern übernommen: Gerard Schneider (Léopold) feierte in dieser Spielzeit als Räuberhauptmann Falsacappa in Offenbachs Die Banditen einen großen Erfolg. Monika Buczkowska (Eudoxie) war hier zuletzt als Livia in Cimarosas L’italiana in Londra zu erleben. Sebastian Geyer (Ruggiero) überzeugte im Bockenheimer Depot in der Partie des Don Perlimplín in Wolfgang Fortners In seinem Garten liebt Don Perlimplín Belisa, und der junge Bariton Danylo Matviienko (Albert), der zur Saison 2024/25 an die Semperoper Dresden wechselt, war als Papageno in Die Zauberflöte zu erleben. Bis auf John Osborn geben alle Solist*innen ihr Rollendebüt.