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Milo Rau: Wenn Mordaufrufe in unseren Ohren Platz nehmen

In Hate Radio wohnen wir der Rekonstruktion des Radiosenders Radio -Télévision Libre des Mille Collines, der 1994 eine entscheidende Rolle im ruandischen Genozid gespielt hat, bei. Ein Stück, das die Zuschauer seit 2013 bis in die Knochen markiert.

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Als am 6. April 1994 das Flugzeug des ruandischen Präsidenten Habyarimana kurz vor der Landung von zwei Raketen getroffen wurde, war dies das Startsignal für den grausamsten Genozid seit dem Ende des Kalten Krieges. In den Monaten April, Mai und Juni 1994 wurden in dem zentralafrikanischen Staat schätzungsweise zwischen 800.000 und 1.000.000 Angehörige der Tutsi-Minderheit und Tausende gemäßigter Hutu ermordet.

Hätte man ein einfaches und wirkungsvolles Ziel gesucht, um den Genozid in Ruanda zu verhindern, schrieb der US-amerikanische Philip Gourevitch, wäre der Radiosender RTLM ein guter Anfang gewesen. Mit unbeschreiblichem Zynismus hatten die Mitarbeiter des populären Senders den Völkermord seit Monaten wie eine Werbekampagne vorbereitet.

Das Programm bestand aus Pop-Musik, packenden Sportreportagen, politischen Pamphleten und an Verachtung nicht zu überbietenden Mordaufrufen. Die Grooves der neuesten kongolesischen Bands und aggressivste Rassenkunde vereinten sich hier auf wenigen Quadratmetern zu einem düsteren Laboratorium rassistischer Ideologie.

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Wie funktioniert Rassismus?

Das Projekt Hate Radio lässt RTLM in originalgetreu nachgebauten Kulissen wieder live auf Sendung gehen. Auf der Bühne stehen Überlebende des Genozids. Im Mittelpunkt des Projekts steht eine Sendung von RTLM und ihre Moderatoren – drei extreme Hutus und der weiße Italo-Belgier Georges Ruggiu. Wie Rassismus funktioniert, wie Menschen ihre Menschlichkeit im wahrsten Sinne „abgesprochen“ wird: Dies wird anhand einer aus Dokumenten und Zeugenaussagen rekonstruierten szenischen Installation fühl- und erfahrbar gemacht.

Die Wände des nachgebauten Radiostudios werden während den Aufführungen zu den Projektionsflächen für eine aufwendige Videoinstallation mit ausgewählten Erzählungen ehemaliger Täter und Opfer. Hier werden die Zuschauer mit den Konsequenzen rassistischer Denkweisen konfrontiert. HATE RADIO fordert dem Publikum damit nicht nur einen Aufenthalt im innersten Kreis, gleichsam dem Zentrum des rassistischen Wissens ab. Es macht sie zugleich zu mitleidenden Zeugen seiner zerstörerischen und unauslöschlichen Folgen.

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BESETZUNG

Text, Inszenierung Milo Rau
Mit Afazali Dewaele, Sébastien Foucault, Diogène Ntarindwa, Bwanga Pilipili, Estelle Marion (Video), Nancy Nkusi (Video)
Dramaturgie, Conceptual Management Jens Dietrich
Bühnenbild, Ausstattung Anton Lukas

Video Marcel Bächtiger
Ton Jens Baudisch
Regie-Assistenz Mascha Euchner-Martinez
Wissenschaftliche Mitarbeit Eva-Maria Bertschy
Dramaturgie, Produktion Milena Kipfmüller


PRAKTISCHE INFORMATIONEN


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Im Rahmen der Aufführungen im CCAM:

  • In Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Nancy
  • Gespräch mit Jens Dietrich im Goethe-Institut Nancy, am 13. November um 19:30 (Eintritt frei)

Im Rahmen der Aufführungen in der Comédie de Reims

  • Betreuung Ihrer Kinder während der Vorstellung am 1. Februar 2020

 

Fotos: Daniel Seiffert


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