Ein Bett aus Konservendosen
Mama.
Es ist 2017. In Frankreich soll ein neuer Präsident gewählt werden. Was für ein Durcheinander. Es wird allmählich warm; man kann kurzärmelig auf den Terrassen sitzen. Mein Stück Finir en beauté wird immer noch gespielt. Wie erstaunlich… Dabei war dies doch nie das Ziel. Kannst du dich noch erinnern? 2011 kam ich zu dir ins Krankenhaus, um etwas über meine Kindheit zu erfahren. Du hast daraufhin täglich mit meinem Aufnahmegerät gesprochen oder ich habe dir vorgelesen. Hast du das mitbekommen, während du geschlafen hast?
Noch heute stehe ich also auf der Bühne, ohne einen Stuhl oder Tisch oder irgendetwas anderes. Nur ich. Mit meinen Erinnerungen. An dich. Ich erzähle, wie wir uns darüber unterhielten, ob Honig Krebs heilen kann, über die Konserven unter deiner Matratze. Ich berichte von der verzweifelten Suche nach den Suppenschüsseln in der Küche am Tage deiner Beerdigung. Wie mit uns die Tränen galoppierten, unser Äußeres wie ein Spiegel zu Bruch ging. Wie wir lernen mussten, ohne dich zu leben. Wo du nur bist? Ob wir dir auch fehlen? Sitzt du irgendwo auf einem Baumstamm und singst in arabischer Sprache? Neigst du deinen Kopf zur Seite, wenn wir erschöpft nach Hause kommen? Du fehlst mir. Ehrlich. Aufrichtig.
Dein Sohn
PS. Ich habe für diesen Text den Grand Prix de Littérature dramatique 2016 gewonnen und dachte dabei die ganze Zeit an dich.
(J.L.)
