Der Spätsommer in Baden-Baden steht im Zeichen des Tanzes: Von 26. September bis 13. Oktober 2024 findet in Baden-Baden das beliebte Tanzfestival „The World of John Neumeier“ statt.
Für den Auftakt hat Kurator John Neumeier das Joffrey Ballet aus Chicago eingeladen. Die traditionsreiche Compagnie war lange nicht in Europa zu sehen und zeigt im Festspielhaus Baden-Baden am 27., 28., und 29. September in einem dreiteiligen Abend drei deutsche Erstaufführungen.
Der Ballettabend, den der künstlerische Direktor Ashley Wheater für Baden-Baden zusammengestellt hat, kombiniert, durchweg auf Spitze getanzt, zwei kürzlich für die Kompanie entstandene Uraufführungen und ein Werk des jung verstorbenen Briten Liam Scarlett. Alle Werke entstanden zu symphonischer Musik des 21. Jahrhunderts, die im Festspielhaus live von der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern gespielt wird.
„Under the Trees‘ Voices“ stammt von Hauschoreograf Nicolas Blanc, der als Tänzer u.a. in Zürich und beim Ballett am Rhein Erfahrungen sammelte. Zur gleichnamigen zweiten Symphonie des Italieners Ezio Bosso, einer theatralischen, spirituellen Minimal Music, zeigt Blanc eine von der Natur geprägte Gemeinschaft auf der Suche nach Hoffnung und Einheit.
„Of Mice and Men“ beruht auf der berühmten Novelle des Nobelpreisträgers John Steinbeck und ergänzt den Schwerpunkt des Festivals, Ballette nach amerikanischer Literatur des 20. Jahrhunderts. Die britische Choreografin Cathy Marston, seit letztem Jahr Direktorin des Zürcher Balletts, adaptierte die tragische Geschichte kalifornischer Wanderarbeiter, erzählt mit großer Wärme von Armut und aufopferungsvoller Freundschaft. Die Partitur gab sie beim mehrfach oscarnominierten Filmkomponisten Thomas Newman in Auftrag, der die Musik für zahlreiche Hollywood-Blockbuster, darunter mehrere „James Bond“-Filme geschrieben hat.
„Hummingbird“ entstand zum Ersten Klavierkonzert von Philip Glass und zeigt zu den drei Sätzen drei Aggregatzustände der Liebe, in energiestarken, dann sehnsuchtsvollen und schließlich virtuosen-schwirrenden Bildern. Choreograf Liam Scarlett war mit seinen neoklassischen Werken die große Hoffnung beim Londoner Royal Ballet und mehrfach Gast beim Joffrey Ballet, er starb 2021.
Das Joffrey Ballet war jahrzehntelang nicht in Europa zu sehen, zuletzt 1988 in Wien. Das Gastspiel im Festspielhaus eröffnet die Chance, diese prägende, stets an der Moderne orientierte amerikanische Kompanie mit neuen, klassischen und neoklassischen Werken unterschiedlichster Ästhetik zu sehen.
Ganz amerikanisch vereint die 1956 gegründete Compagnie die Extreme. Sie tanzt modern und auf Spitze, brachte als erste klassisches Ballett zu Rockmusik auf die Bühne, gab sich geschichtsbewusst mit einer Rekonstruktion von Nijinskys Originalchoreografie des „Sacre“ und spielte die Hauptrolle in „The Company“, einem Kinofilm des US-Kultregisseurs Robert Altman.
Das Joffrey Ballet hat einige Abenteuer hinter sich. 1956 in New York gegründet, tourte man zunächst mit einem Umzugswagen durch Amerika, dann nahm eine Mäzenin die halbe Kompanie mit sich, man begann im New Yorker City Center von vorne, gründete ein zweites Standbein an der Westküste in Los Angeles und zog schließlich 1995 nach Chicago. Dort ist das Joffrey nun die offizielle Ballettkompanie des riesigen Lyric Opera House mit seinen 3600 Plätzen.
Robert Joffrey und Gerald Arpino, die Gründerväter und direkten Vorgänger des heutigen Direktors Ashley Wheater, überwanden viele Grenzen und hatten einen Spürsinn für „Firsts“ – also dafür, die ersten zu sein: Hier entstand das erste Ballett zu Rockmusik, das Joffrey wurde als erste Tanzkompanie ins Weiße Haus eingeladen, tanzte zuerst im amerikanischen Fernsehen und wurde als erste Ballettkompanie zum Sujet eines Spielfilms, nämlich 2003 in Robert Altmans „The Company“. Der choreografische Revolutionär William Forsythe begann hier seine Tänzerkarriere, die amerikanischen Choreografie-Ikonen Alvin Ailey, Mark Morris oder Twyla Tharp wagten hier zum ersten Mal den Sprung vom Modern Dance zum Ballett.
Robert Joffrey liebte die Avantgarde quer durch die Jahrhunderte und holte immer wieder Neues und Wichtiges aus Europa, etwa das Antikriegsballett „Der grüne Tisch“ von Kurt Jooss und sehr viele Werke der Ballets Russes, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Tanzwelt revolutioniert hatten. 1987 rekonstruierte das Joffrey Ballet Vaslaw Nijinskys Skandalchoreografie „Le Sacre du Printemps“ von 1913, ein tanzhistorisches Ereignis. Immer wieder standen auch Ballette zu Pop- und Rockmusik auf dem Programm, weshalb die vielseitigen, ausdrucksstarken Tänzer des Joffrey in allen Stilen von der Klassik bis zur Moderne brillieren.
Weitere Informationen und Tickets: www.festspielhaus.de
Persönliche Beratung und Reservierungen: Tel. 07221 / 30 13 101