Der Grantler
Ein treffendes Porträt des Wiener Kulturbetriebs, gezeichnet von Thomas Bernhard und inszeniert von Claude Duparfait und Celie Pauthe: ein bitterböses Vergnügen.
Am Tag der Beerdigung ihrer langjährigen Freundin Joana gibt das Ehepaar Auersberger ein „künstlerisches Abendessen“ zu Ehren eines älteren Burgschauspielers. Bei diesem Abendessen, zu dem der Erzähler ärgerlicherweise eingeladen wurde, trifft er auf eine Gesellschaft, mit der er seit über zwanzig Jahren nichts mehr zu tun hat … Den ganzen Abend lang prangert er innerlich die Borniertheit dieses Milieus an, Leute, die sich allesamt der Kunst verschrieben haben. Aus seiner Wut (seiner „Erregung“, so der Untertitel des Romans) entsteht erneut der Drang zu schreiben. Der Erzähler ist natürlich das Alter Ego Thomas Bernhards, der die Wiener Künstler- und Intellektuellenszene mit scharfem Blick und spitzer Feder charakterisiert. Auf der Bühne spielt Claude Duparfait in seinem Ohrensessel einen ausgemachten Menschenfeind (der einen sofort an seinen Alceste in der Inszenierung von Stéphane Braunschweig am TNS in Straßburg denken lässt). Er und seine Kollegin Célie Pauthe haben den Bernhard’schen Text durchforstet, den Monolog herauspräpariert und den derart geschmähten Figuren noch eine Chance gegeben. Das ist herrlich bösartig, bissig und auf grimmige Weise klug. (S.D.)
Weitere Informationen
– Ankündigung des Stücks auf der Website des TNS (DE)
– Kritik zu Holzfällen bei Les Trois coups (FR)
– [Video] Einführung in das Stück von Claude Duparfait und Célie Pauthe (FR)
– Poly über Des arbres à abattre (FR)
BONUS
Thomas Bernhard: Ein Portrait von Ferry Radax, 1970 (DE)