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Interview mit Demis Volpi im Rahmen seiner Inszenierung Médée l Medea Senecae im Saarländischen Staatstheater

Der deutsch-argentinische Choreograf und Opernregisseur Demis Volpi stellt sich in szeniks Porträtreihe Auf der Bühne ist mitten im Leben vor. Mit mehreren Preisen für seine Arbeit ausgezeichnet, hat ihn die Opernmuse in der Oper Stuttgart geküsst. 

 

Im Rahmen seiner derzeitigen Inszenierung von Médée / Medea Senecae im Saarländischen Staatstheater Saarbrücken spricht er mit uns über seine Anfänge, Inspirationen, die Freude am Theater aktiv zu sein und seine Zeit in Saarbrücken. 

 

 

 

1.) Wie sind Sie zum Theater gekommen und was war der Auslöser den Tanz zum Beruf zu machen? Wollten Sie schon als Kind Tänzer werden?

Der Tanz ist zu mir gekommen. Ich bin wohl an einem Morgen, ich war 4 Jahre alt, aus dem Bett gesprungen und habe zu meiner Mutter gesagt, dass ich Balletttänzer werden will. Woher das kam und was ich mir darunter vorgestellt habe, woher ich das Wort Ballett kannte, bleibt ein Geheimnis. Was ich aber noch weiß, ist, dass ich mich bei meinem ersten Ballettunterricht sofort zuhause gefühlt habe.

 

2.) Sie sind auch Opernregisseur… Wie sind Sie vom Tanz zur Oper gekommen?

Das war eine sehr organische Entwicklung. Ich war Tänzer beim Stuttgarter Ballett und dann Hauschoreograph. Die Compagnie »wohnt« sozusagen in einem Haus mit der Oper Stuttgart. So ergab sich sehr früh bei meinen ersten choreographischen Arbeiten eine Zusammenarbeit mit dem Regieteam Jossi Wieler und Sergio Morabito. Ihr liebevoller, kreativer und besonders kluger Umgang mit Theater hat mich letztendlich davon überzeugt, dass ich Theatermacher werden will, anstatt selber auf der Bühne zu stehen. Sie sind und bleiben große Vorbilder für mich, obwohl ich natürlich meinen eigenen künstlerischen Weg gehen muss.

 

      Der Tod in Venedig – eine Koproduktion der Oper Stuttgart und des Stuttgarter Balletts in einer Inszenierung von Demis Volpi (Foto: Oper Stuttgart)

 

3.) Worin liegen Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten zwischen der Tanz- und der Opernwelt?

Der größte Unterschied liegt darin, dass die Sänger zu einer Probe mit ihrer Musik kommen und die Tänzer keinen Schritt kennen, bevor es losgeht. Das führt zu methodischen Unterschieden in der Arbeitsweise. Allerdings steckt hinter beiden Welten die gleiche Intention: das hochvirtuose Handwerk so zu meistern, dass es frei und spontan zum Leben geweckt wird. Nur dann ist Ehrlichkeit möglich und nur dann kann das Handwerk zu Kunst werden.

 

4.) Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf am besten?

Die Notwendigkeit eines Dialogs mit den Mitmenschen am Theater. Es ist eine Bereicherung, Ideen ausformulieren zu müssen, um dann gleich durch den Gegenüberstehenden einen anderen Weg zu erfahren, anders auf die Dinge zu schauen.

 

5.) Was mögen Sie weniger an Ihrem Beruf? Oder wann ist der Job schwer?

Die Notwendigkeit eines Dialogs mit den Mitmenschen am Theater. (Das ist kein Tippfehler!) Manchmal beneide ich Schriftsteller oder Bildende Künstler, die ihre Arbeit in der konzentrierten Atmosphäre eines Schreibtischs oder Ateliers machen können.

 

6.) Erleben Sie manchmal künstlerische Einschränkung? Oder worin würden Sie sich gerne noch mehr entfalten können?

Jedes Stück ist eine einzigartige Chance, eine neue Welt zu entdecken und zu erfinden. Ich glaube, da ist ein enormes Potential um mich jedes Mal weiter zuentwickeln. Was die Einschränkungen betrifft: es ist gerade der Umgang mit Grenzen, der einen zum kreativen Denken stimuliert!!

 

 

7.) Ist man sich der harten Arbeit zu wenig bewusst?

Wenn man als Zuschauer eine Vorstellung erlebt, ist man sich so vieles gar nicht bewusst, von dem, was dahinter steckt. Ich habe durch meine eigene Arbeit gelernt, großen Respekt für jeden zu entwickeln, der den Schritt wagt, etwas zu kreieren.

 

8.) Worin finden Sie Inspiration für Ihre Arbeit?

Überall! Immer mehr lerne ich den Darstellern zu vertrauen und mich auch von ihnen inspirieren zu lassen. Das empfinde ich als persönlichen und künstlerischen Gewinn.

 

9.) In welchem Theater oder mit welchem Ensemble wollen Sie gerne einmal auf der Bühne arbeiten?

Jede Bühne ist wichtig, jedes Stück ist existenziell und jeder Künstler, dem man begegnet, kann eine Bereicherung sein, egal wo man sich befindet.

 

10.) An welchem Projekt / Stück arbeiten Sie gerade aktuell?

Zur Zeit bin ich in der Endprobenphase für Médée / Medea Senecae. Das bedeutet, dass es mir sehr schwer fällt, über irgendetwas anderes nachzudenken. Selten hat mich eine Vorlage so sehr fasziniert, gepackt und mitgenommen.

 

 

11.) Welche Wesenszüge teilen Sie mit einer bestimmten Figur aus dem Theater, das Sie vielleicht einmal getanzt oder inszeniert haben?

Ab und zu entdecke ich mich tatsächlich hier oder dort auf der Bühne in meinen eigenen Stücken, aber wo genau bleibt mein Geheimnis.

 

12.) Wie lebt es sich als freier Künstler? Wo verbringen Sie Ihre Freizeit und wo schöpfen Sie neue Energie?

Freiheit war schon immer mein Thema. Als freier Künstler kann ich sie voll ausleben. Meine Freizeit verbringe ich gerne ruhig, mit guten Freunden und gutem Essen.

 

13.) Wie gefällt Ihnen Saarbrücken? Sind Sie gerne in dieser Region?

Ich fühle mich hier sehr wohl. Ich lebe aber viel im Theater – hoffentlich ergibt sich bald die Gelegenheit, die Region mehr zu erkunden. Die Menschen, die mir hier begegnen, empfinde ich als sehr offen, neugierig und freundlich.

 

 

14.) Wohin gehen Sie gerne in Ihrer Mittagspause bzw. zwischen den Proben? Haben Sie ein Lieblingslokal in der Stadt?

Gerne sitzen wir mit dem Team abends im Hauck in der Alten Feuerwache und lassen den Tag ausklingen. Da fühle ich mich wie am Theater, ein Stück zuhause.

 

15.) Wie wichtig ist Social Media für einen freiberuflichen Künstler?

Spannende Frage! Da ich nicht ganz so viel in Social Media unterwegs bin und wenig Erfahrung damit habe, kann ich es schwer beantworten.

 

16.) Was antworten Sie, wenn Ihnen jemand erzählt: „Ich war noch nie im Theater.“ ?

Gibt es sowas?! Nichts wie hin! Am Theater kann man lachen, weinen, sich verlieben und jemandem hassen oder sogar umbringen – unter anderem! Im Theater wird man unterhalten und zum Nachdenken gebracht. Manchmal geht man aus dem Theater mit mehr Fragen raus als man rein kam und das ist gut so! Wir leben in einer denkfaulen Gesellschaft. Jede Anregung, die uns hilft, dies zu überwinden kann nur positiv sein.

 

17.) Wie kann man Neulingen das Theater schmackhaft machen?

Theater ist schmackhaft genug. Ich würde sagen, man darf keine Angst haben, etwas „nicht zu verstehen“ – es gibt immer offene Fragen. Man kann nichts falsch machen am Theater, außer nicht hinzugehen.

 

 

Vielen Dank an Demis Volpi und das Team des Saarländischen Staatstheater! 

 

 

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Fotos aus der Inszenierung von Médée l Medea Senecae:  Martin Kaufhold

Porträtfoto: Roman Novitzky

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