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Die Hanke Brothers im Interview mit szenik: „Das Auge hört einfach mit.“

Hanke_Brothers_Foto_Theresa_Pewal

Vier Brüder, die so viel Spaß am Musizieren haben, dass sie mit ihrer inspirierenden Energie ganze Konzertsäle anstecken: Die Hanke Brothers scheinen in ihrer Lust, Menschen unterhalten und auf melodische Abenteuer schicken zu wollen, nicht aufzuhalten.

Neben einem Projekt mit dem Stuttgarter Ballett hat ihnen nun die Jeunesses Musicales Deutschland den neu eingeführten Titel JM artist verliehen. szenik hat sich mit David Hanke (Blockflöte) über die Hanke Brothers, Kinderkonzerte und ihr Heimspielfestival unterhalten.

Erste Frage: Wie kamen Sie auf die Idee für die Hanke Brothers?

Begonnen hat eigentlich alles 2014 mit einer Familien-CD. Da kam zwischen uns Brüdern der Wunsch auf, unsere eigenen Ideen und Vorstellungen in Musik umzusetzen, die für unsere vier Instrumente gemacht ist. Drei Jahre später war dann der Beginn der Hanke Brothers. 

Ist es der Wunsch der Hanke Brothers über die Grenzen der klassischen Musik zu fliegen?

Ich würde uns nicht auf Klassik begrenzen, denn wir sind sehr offen für andere Genres. Wir sind klassische aufgewachsen und dieses Umfeld prägt natürlich immer sehr. Unsere Eltern sind beide Berufsmusiker; unser Vater ist Kirchenmusiker, unsere Mutter ist Geigerin. Da haben wir vor allem als Kinder sehr viel Klassik gehört. Andere Einflüsse, wie Pop-Oratorien oder die Schul-Bigband, kamen dann aber schnell hinzu. Jeden von uns zog es da auch in eine andere Richtung.

Das macht uns heute noch aus: Jeder hat mit seinem Instrument bevorzugte musikalische Gebiete. Bei mir und der Blockflöte ist es mehr Alte Musik; Jonathan, unser Pianist, ist hingegen mehr im Jazz zuhause; Fabian bringt mit der Tuba etwas Brass ein. So hat jeder von uns seine Facetten, die in die Hanke Brothers hinein fließen. Was dabei herauskommt, ist unser Verständnis von Musik. 

An wen richtet sich Ihre Musik?

Wir wollten Musik machen, die von uns kommt und die wir einfach selber sehr gerne hören würden. Oder, sagen wir es mal anders: Wir wollten Musik machen, die die KlassenkameradInnen unseres jüngsten Bruders auch hören würden. Also, so ging das los. Er war damals 16 Jahre alt und ihm wollte nicht peinlich sein, wenn er seine Schulfreunde einlädt, denn wenn es langweilig ist, ist es uncool. (lacht) Wir haben dann gemerkt, dass unsere Musik jüngeren und älteren Generationen gefällt. 

Sie haben sehr früh begonnen, Musik für Kinder zu machen. Wieso ist Ihnen dies so wichtig?

Für uns sind diese Konzerte ein fester Bestandteil. In solchen Begegnungen greift auch alles ineinander über. Es ist logisch, dass es einen anderen Umgang mit oder eine andere Darstellung von Musik braucht, wenn das Publikum aus Kindern besteht.

Für uns sind diese Momente sehr spannend, weil wir sehr viel dazulernen. Da entwickeln sich manchmal Komponente, die wir dann auch in unsere Abendvorstellungen mitnehmen, denn im Prinzip sind alle Menschen im Herzen noch Kinder und das versuchen wir zu wecken. Wir haben in unserem Kinderprogramm auch Zauberei mit am Start und das funktioniert bei jedem Zuschauer / jeder Zuschauerin. (lacht)

Haben Sie eine andere Herangehensweise, wenn Sie vor Kindern spielen?

Definitiv. Es gibt kein ehrlicheres Publikum als Kinder. Deswegen war es für uns auch so spannend, ein besonderes Programm für diese Zuschauergruppe zu entwerfen. Wie gestaltet man ein Kinderkonzert, bei dem die Kinder dranbleiben oder dank eines ausgefeilten Spannungsbogens auch mal abschweifen dürfen? Wenn man das lenkt, ist es nicht schlimm. Man muss nur darauf vorbereitet sein.

Wir arbeiten bei solchen Programmen auch mit einem ganz tollen Regisseur und Theaterpädagogen zusammen, damit wir innerhalb des Ensembles besser kommunizieren (denn jeder Blick kann plötzlich eine Funktion haben) und gleichzeitig unser Publikum erfolgreich einfangen. Den Blick der ZuschauerInnen zu lenken, ist eine Aufgabe, die wir dank der Zauberei-Elemente gelernt haben. Tatsächlich ist uns dadurch bewusst geworden, wie wichtig und elementar dies im klassischen Konzert ist. Wenn man also solche Komponenten einbaut, wird es gleich viel spannender. 

Sie üben also auch an Ihrer szenischen Darstellung?

Definitiv. Jedes Konzert hat einen performativen Anteil und dem kann man sich als MusikerIn nicht verweigern. Klassiker versuchen manchmal, es nur auf die Musik zu reduzieren, aber das Auge hört einfach mit. Das heißt nicht, dass es eine gigantische Show braucht, nur einen bewussten Umgang damit. 

Was empfinden Sie, wenn Sie zu viert auf der Bühne musizieren? 

Eine große Freude. Wir haben einen riesigen Spaß zusammen. Es ist natürlich viel Arbeit. Gleichzeitig achten wir aber bei der Programmgestaltung oder bei improvisatorischen Momenten immer darauf, dass die Komponenten anders sind, um nicht in eine Routine zu verfallen. Wir wollen nie einfach nur abspielen. Es ist einfach das Schönste, jetzt wieder vor Menschen spielen zu dürfen und da entfaltet sich auch zwischen uns eine ganz andere Energie, die wir zum Glück auch dank unserer Bruderschaft haben. 

Woher nehmen Sie die Inspiration und diese ansteckende Energie?

Ich glaube, dass wir uns gegenseitig gut anstacheln. Es gibt kaum Momente, in denen nicht einer von uns eine Idee hat. Wir merken, was wir loslösen, wenn wir gemeinsam musizieren. Und das motiviert ungemein, wie zum Beispiel mit der Aufnahme der Single für das Projekt EXPRESS YOURSELF des Stuttgarter Balletts. Über 100 Kunstschaffende, von TänzerInnen zu bildenden KünstlerInnen, fühlten sich bisher von dem Song inspiriert und haben ein Video gesendet. Wir sind schon ganz gespannt, das Endresultat zu sehen. 

Solche Projekte spornen uns sehr an ; sie sind Bestätigung unserer Arbeit und Geschenk zugleich. Es gibt nichts Schöneres als andere Menschen zu inspirieren und auf Entdeckungsreisen zu schicken. 

Helfen Kooperationen mit lokalen oder regionalen Einrichtungen dabei, bekannter zu werden?

Jede Form von Projekt hilft bekannter zu werden. Wir haben es immer als eine Stärke und zugleich als eine Förderung gesehen, einen lokalen oder regionalen „Fanclub“ zu haben. Daraus ergeben sich nämlich unzählige Möglichkeiten. Wir sind sehr froh darüber Stuttgart und  Sindelfingen zu haben.

Es war uns eine große Ehre mit dem Stuttgarter Ballett zu kooperieren. Gleichzeitig sind wir lokal gut verankert; die Leute vertrauen uns. Diese Zustimmung hilft uns, einer Idee nachzugehen und etwas Neues zu schaffen. Wir verstehen diese Projekte als eine Art Reise, die für unser Wachstum notwendig ist. Ich glaube, dass viele Menschen derzeitig Freude daran haben, die Entwicklung der Hanke Brothers zu verfolgen. Zu merken, wie sich Stücke entwickeln können. 

In der klassischen Musik vergisst man oft diesen Entwicklungsprozess. Man kommt in der Regel nicht einfach aus dem Studium heraus und kann alles. An diesem Prozess lassen wir andere gerne teilnehmen. 

Sie zeigen Ihr Musiker-und Familienleben sehr offen in den sozialen Netzwerken. Warum?

Wir sind eine unglaublich offene Familie; bei uns ist jeder willkommen. Es ist uns wichtig, nicht nur als professionelle Musiker definiert zu werden. Wir möchten als Brüder, die am gemeinsamen Musizieren Spaß haben, wahrgenommen werden. Uns wird oft die Frage gestellt, ob es viel Drill zuhause gab. Ganz ehrlich? Der war nie vorhanden. Wir sind mit der Idee aufgewachsen, dass Musik für Menschen da ist und dass man die Begegnung sucht. Letztere findet heute viel im digitalen Bereich statt. Also versuchen wir auch da die Barrieren möglichst klein zu halten.

So bringt die Musik Sie und Ihre Brüder zusammen?

Definitiv. Das ist auch der Grund, warum Hanke Brothers los ging. Ich studierte damals in Wien; Lukas war in Stuttgart. Die zwei Jüngsten haben zu dem Zeitpunkt „Große-Brüder-Vermissungen“ gezeigt. So kam uns der Gedanke einfach zusammenzuspielen (denn so waren auch die Fahrtkosten gedeckt. Lacht). Peu à peu kam dann die berufliche Komponente hinzu. 

Sie haben für das Projekt des Stuttgarter Balletts einen Song komponiert. Wie war das, etwas zu schreiben, dass andere KünstlerInnen inspirieren soll?

Dieses Stuttgarter Ballett-Projekt war schon ein langer Wunsch von mir, weil ich als Jugendlicher Tanzprojekte mit Sonia Santiago (Projektleitung Noverre & Tanzpädagogin) vom Stuttgarter Ballett gemacht habe. Gerade durch diese „Move the music“ – Projekte habe ich damals dieses ganzheitliche Erleben von Musik für mich entdeckt.  Es hat mir bei meinem Körperbewusstsein geholfen und gezeigt, wieviel Macht Tanz hat, Menschen zu verbinden und kreativ anzustecken. 

Die Single Express Yourself war der Output von einer längeren Entwicklung, da wir sie aufgrund der Coronakrise viermal auf Eis legen mussten. Während des Lockdowns hat es uns aber sehr gereizt, etwas zu machen, dass andere Menschen aktiviert und dazu einlädt, an einem Projekt, wenn auch von zuhause aus, teilzunehmen.

Für Jonathan, unseren Pianisten, war die Komposition daher eine Herausforderung. Wir haben verschiedene Snippets von 30 Sekunden ausprobiert und nach einem Groove gesucht. Natürlich haben wir uns dabei immer die TänzerInnen vorgestellt. Jonathan hat es ihnen aber auch nicht leicht gemacht, denn er weiß, dass diese gewöhnlich nur bis acht zählen; also hat er einen 7/8 Takt eingefügt. 

Mit der Familie oder Familienmitgliedern Musik zu machen, heißt das, keine Hemmschwellen, zum Beispiel beim Ausprobieren neuer Ideen, zu haben?

Es gibt keine Hemmschwellen. Nur, wenn wir die Instrumente der anderen Brüder ausprobieren… (lacht). Wir wissen schon aufgrund unserer langen Zusammenarbeit, wie hoch die Ansprüche sind. Gleichzeitig wissen wir auch, in welchen Bereichen man diese stellen kann. Ich glaube, das ist ein langer Lernprozess.

Während des Lockdowns haben wir auch ein Coaching genommen, um diese verschiedenen Rollen – Bruder, beruflicher Partner, künstlerischer Partner – besser trennen zu können. Diese drei fordern uns auf unterschiedliche Weise. Als Bruder kann die Toleranzschwelle ganz niedrig sein. Aber künstlerisch können unsere Diskussionen schon hohe Wellen schlagen. Dabei gilt es, einen Kompromiss zu finden, um auf der Bühne als Einheit zu funktionieren. 

Wie geht es bei den Hanke Brothers ab Herbst weiter?

Wir planen im Herbst unser eigenes Heimspielfestival in Sindelfingen. Wir haben dies pandemiebedingt im letzten Jahr ins Leben gerufen, weil wir gemerkt haben, wie schwierig es für den Veranstaltungsbereich war. Also haben wir in unserer Kirche gefragt, ob wir in deren Räumlichkeiten spielen dürfen. Aufgrund der großen Anfrage haben wir schlussendlich neun Konzerte in vier Tagen gegeben! Wir fühlen uns hier sehr zuhause, daher arbeiten wir hier sehr frei und sehen unser lokales Publikum als kreative Stube an. 

In diesem Jahr soll es vier Abende geben, an denen jeder von uns ein eigenes Projekt vorstellt und das eigene Instrument im Vordergrund steht. Anschließend gibt es dann natürlich noch Hanke Brothers – Konzerte. Das passt auch zu unserem neuen CD-Programm, das wir mit dem SWR im Juli aufnehmen und „Fokus“ heißen soll. Wir sind während dieser Pandemiezeit dafür auf die Suche gegangen und haben uns gefragt, was unser Brennpunkt ist und was uns vereint. Das Resultat wird beim Heimspielfestival vorgestellt. 

Foto: Theresa Pewal

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