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Das International Screendance Festival Freiburg: Interview mit Dr. Adriana Almeida Pees & Juliane Kiss des Theater Freiburg

Vom 27. bis 30. Mai 2021 widmet sich das Theater Freiburg voll und ganz der Beziehung zwischen Tanz und Kamera…

In der zweiten Ausgabe des INTERNATIONAL SCREENDANCE FESTIVAL FREIBURG wird im Rahmen von drei Online-Screenings eine Vielzahl an Videotänzen nationaler und internationaler Choreograf*innen präsentiert und die Formenvielfalt dieser facettenreichen und inzwischen weltweit boomenden Kunstform skizziert. 

szenik hat sich vorab mit Dr. Adriana Almeida Pees, Künstlerische Leiterin und Kuratorin Tanz, und Juliane Kiss, Produktionsleitung und Dramaturgieassistentin Tanz, über die Kunstform Screendance und die diesjährige Ausgabe unterhalten.

Was genau ist Screendance?

Dr. Adriana Almeida Pees : Screendance ist ein hybrides Format. Hierbei handelt es sich nicht um eine Aufnahme einer Tanzproduktion, sondern um Tanz in einer neuen Kunstform.

Juliane Kiss: Also, Tanz für und mit der Kamera. Dabei treffen verschiedene Bereiche aufeinander: Musik, bildende Kunst, Film oder Performance.

Was interessiert Sie am Screendance ?

Dr. Adriana Almeida Pees: Als ich meine Stelle als Künstlerische Leiterin und Kuratorin Tanz am Theater Freiburg antrat, habe ich natürlich viel über das Programm nachgedacht. Bei meiner Recherche ist mir aufgefallen, dass es in Deutschland keine starke Screendance-Szene gibt. In Frankreich und Südamerika ist diese hingegen sehr aktiv. Bei der florierenden Tanzszene in Deutschland hat mich dies gewundert. Also war es mir sehr wichtig, diese KünstlerInnen in unser Programm aufzunehmen.

Wir haben mit Workshops angefangen, um die Mittel und Werkzeuge zu verstehen, mit denen Screendance-KünstlerInnen arbeiten. Daraus ist das monatliche Projekt Tanzkino entstanden, in dem wir Screendance-Werke gezeigt haben, um unsere ZuschauerInnen mit diesem Format und den behandelten Thematiken vertraut zu machen.

Silêncio [Eduardo Fukushima & Sérgio Roizenblit ] 2020

Juliane Kiss: Ich kannte Screendance aus meiner Zeit in Chile, als ich dort am Goethe-Institut gearbeitet habe. Dort gibt es ein sehr großes Screendance-Festival. Allerdings habe ich es bis dahin als Nische wahrgenommen. Jetzt im Zuge der Pandemie hat sich gezeigt, was für ein Potential darin steckt. Es ist offen für alle; jeder kann mit seinem Smartphone ein Screendance-Werk erstellen. Dieser offene Zugang ist mir sehr sympathisch.

Dr. Adriana Almeida Pees: Das macht es auch so interessant! Nicht nur ChoreografInnen oder TänzerInnen können solche hybriden Formate entwickeln, sondern auch KünstlerInnen aus anderen Bereichen.

Ist Screendance eine eigene Kunstform oder eine Nische des Tanzes?

Dr. Adriana Almeida Pees: Es ist eine eigene Kunstform. Es gibt zahlreiche Screendance-Festivals, die weltweit stattfinden. Diese Szene ist sehr miteinander verbunden und ausgesprochen aktiv.

Zoé Schreckenberg I POLE-SUD CDCN STRASBOURG

Wieso ist Screendance in Deutschland noch nicht sehr verbreitet?

Dr. Adriana Almeida Pees: Der Schwerpunkt der Tanzszene in Deutschland liegt, so scheint mir, bei der Bühne, also bei der Produktion von Tanzchoreografien. Das Video hat da noch nicht seinen Platz gefunden. Seit geraumer Zeit spürt man allerdings eine Öffnung des Tanzes zum Video, z.Bsp. im Bereich des Tanzes für Kinder und Jugendliche. In anderen Ländern existiert diese Verbindung schon seit über 20 Jahren!

Ich glaube, dass sind einfach Produktionsstrukturen in Deutschland, die so sehr vom städtischen Theater und Subventionen geprägt sind, die solche Öffnungen schwierig gestalten. Mittlerweile interessieren sich aber KuratorInnen und auch die freie Szene immer mehr für solche hybriden Formate.

Der Fokus liegt in diesem Jahr auf Südamerika. Wie würden Sie die Werke dieser KünstlerInnen beschreiben? Wodurch unterscheiden sich die südamerikanischen Beiträge von den deutschen Werken?

Dr. Adriana Almeida Pees: In Südamerika gibt es eine große Produktion an Screendance-Formaten. Das hat sich in der Bewerbung für unsere Deutschland-Kategorie bemerkbar gemacht. Zum Vergleich: Aus Deutschland haben wir 39 Filme erhalten; bei anderen Ländern kämen wir auf das Dreifache.

Da die Screendance-Szene in Südamerika so umfangreich ist, haben wir KuratorInnen hinzugezogen, die uns bei der Auswahl geholfen haben.

Lilian Graça

Juliane Kiss: Die südamerikanischen Videos beinhalten oft eine politische Nachricht, wohingegen die deutschen Beiträge in erster Linie mit der Technik experimentieren und es viel um Ästhetik geht. Gerade bei den Videos aus Brasilien und Chile geht es viel um die sozialen und politischen Konsequenzen der COVID-Pandemie, Landflucht oder Wasserzugang.

Dr. Adriana Almeida Pees: In der Tat werden in den deutschen Videos kaum soziale, politische oder Gender-Fragen behandelt. Eine unserer TeilnehmerInnen, Zoé Schreckenberg, hat sich in ihrem Film TRIEB allerdings mit der Grenze zwischen Frankreich und Deutschland beschäftigt. Diese Arbeit hat sie in Straßburg gedreht (während einer Residenz im Straßburger POLE-SUD, CDCN Strasbourg).

Erlaubt der Bildschirm den KünstlerInnen mehr Freiheit?

Dr. Adriana Almeida Pees: Ich glaube schon. Diese Filme dauern in der Regel nicht länger als 15 Minuten; also sind der Schnitt und die Reihenfolge der Bilder sehr wichtig. Bei einer Tanzproduktion, die für die Bühne gedacht ist, haben wir da andere Möglichkeiten, eine soziale Frage auszudrücken und zu behandeln. Daher finde ich diese Genauigkeit, ein Thema und sich selbst in einer so kurzen Zeit auszudrücken, so interessant. Die Rolle, die die Location, die Farben, die Musik, die Technologie und die Animationen bei einem Screendance-Werk spielen, ist sehr spannend. Es gibt hier einfach eine weitgefächerte Bandbreite an Mitteln, die unerschöpfbar scheinen.

Victor Rottier & Alessia Ruffolo

Sie laden in dieser Ausgabe ebenfalls zu Workshops ein. An wen sind diese gerichtet und wie sind die bisherigen Workshops bei den TeilnehmerInnen angekommen?

Juliane Kiss: Die Workshops sind ein sehr erfolgreiches Format, das sich in dieser Spielzeit noch einmal mehr etabliert hat. In der letzten Ausgabe haben wir diese hier im Theater Freiburg ausgeführt und da war das Publikum ganz anders konstituiert. In diesem Jahr sind die Workshops sind in den digitalen Raum verlegt worden und haben dadurch internationale InteressentInnen angezogen. Wir bieten diese für Einsteiger und fortgeschrittene KünstlerInnen an (jeweils 15 TeilnehmerInnen pro Kurs).

Dieses Mal hatten wir TeilnehmerInnen aus Kanada, Indonesien, den USA, die teilweise mitten in der Nacht zugeschaltet haben, um dabei zu sein. Aus jedem Workshop entsteht jeweils ein Film, der am Samstag (29.05) gezeigt wird.

Wir haben ein sehr gutes Feedback erhalten, denn anscheinend werden nicht sehr viele Workshops zum Screendance angeboten, vor allem in so einer offenen Weise und ohne Vorbedingungen.

Dixon Quitian

Dr. Adriana Almeida Pees: Diese Workshops wurden von Marisa Hayes und Franck Boulègue (Ko-Organisatoren des Festival International de Vidéo Danse de Bourgogne) geleitet. Sie haben das Format für den digitalen Bereich adaptiert und die TeilnehmerInnen intensiv begleitet.

Dabei haben wir bemerkt, wie groß der Wunsch unter diesen KünstlerInnen ist, ein Netzwerk zu schaffen und sich in einem Forum aktiv auszutauschen. Es ist wirklich interessant, wie diese KünstlerInnen nicht nur ihre Werke anbieten, sondern sich gemeinsam begleiten, untereinander produzieren und nach Unterstützung suchen wollen.

International Screendance Festival Freiburg
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Vom 27. bis 30. Mai 2021
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Auf der Website des Theater Freiburg & dringeblieben.de
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Alle Informationen zum Programm: www.theater.freiburg.de

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