Website-Icon szenik

Anregung zum Nachdenken: Drei Fragen an Sebastian Abarbanell, Gastchoreograf beim Ballett Theater Pforzheim

THPF_SebastianAbarbanell_Choreograph_21_Foto_ThomasMeyer_ Pforzheimer Zeitung.jpg

Pforzheim. Während des zweiten Lockdowns im Frühjahr schuf Sebastian Abarbanell als Gastchoreograf des Ballett Theater Pforzheim das Tanzstück „How it molds into the shape of their skin“. 

Ab morgen, Samstag, 24. Juli bis einschließlich Sonntag, 15. August wird das meditative, hochästhetisierte Werk als Tanzfilm kostenfrei auf dem Youtube-Kanal des Theaters zu sehen sein. 

Ballettdirektor Guido Markowitz und Probenleiter und Choreograf Damian Gmür hatten den in Berlin aufgewachsenen, queeren Tänzer und Choreografen beim Internationalen Solo-Tanz-Theater-Festival im Juni 2020 in Stuttgart entdeckt und ihm für sein Solostück „Home (what we lost)“ den Residenzpreis des Theaters Pforzheim verliehen. Alexandra Karabelas bat den 26-Jährigen zum Kurzinterview.

Herr Abarbanell, was erzählt Ihnen der Film über Ihr eigenes Stück? 

„How it molds into the shape of their skin” ist für mich eine Reise, die aus vielen Reisen gleichzeitig besteht. Deswegen animiere ich zu Beginn des Films auch, sich das gesamte Stück ohne Unterbrechung anzusehen. Denn ich betrachte in ihm sechs vollkommen unterschiedliche Erlebnisse, Menschen, Körper, Leben und Geschichten, die sich durch ein einheitliches System bewegen und unter annähernd gleichen Bedingungen existieren. Ich finde es faszinierend, wie unterschiedlich jeder Mensch und jeder Körper mit den gleichen oder ähnlichen Bewegungen und Bedingungen umgeht und wie sich diese auf jeden Körper individuell und einzigartig auswirken. Diese Dualität und Koexistenz von Einheitlichkeit und Einzigartigkeit sollte in dem Film deutlich werden. Das war mir wichtig. 

Nora Kirschmeier

Was war Ihnen bei der filmischen Umsetzung noch wichtig?

Die Magie einer Live-Performance beinhaltet, das jede*r Zuschauer*in ein individuelles Aufführungserlebnis hat. Jedes Auge erfasst verschiedene Aspekte, Elemente und Momente eines Stückes. Damit diese Magie und dieser Prozess nicht vollkommen verloren geht, ist es mir bei der filmischen Aufnahme dieses Stückes wichtig gewesen, die Augen der Zuschauer sanft durch unterschiedliche Perspektiven zu leiten. Dabei möchte ich jedoch dem Publikum nicht Möglichkeiten nehmen, beim Zuschauen eigene bewusste oder unbewusste Entscheidungen zu treffen. Im Gegenteil: Die aktive Autonomie jeden und jeder Zuschauer*in ist wesentlich für meine Arbeit, eigenständig und aktiv das Stück wahrzunehmen.

Wie empfinden Sie die Welt und welche Rolle spielt Ihr Stück in ihr?

Wir leben in einer Gesellschaft, in der jeder Mensch täglich kategorisiert, beurteilt und bewertet wird, und das von Geburt an. Dabei spielt der Körper eine zentrale Rolle. Für „How it molds into the shape of their skin” habe ich mich damit beschäftigt, was es für den Einzelnen bedeutet, ein Verständnis von sich selbst zu entwickeln, welches stark genug ist, sich von konventionellen Einordnungen zu lösen und sich stattdessen gegebenenfalls neu zu definieren. Diese Frage visualisiere ich. Denn als queerer Künstler möchte ich mit meiner Arbeit zum Nachdenken über tief in unserer Gesellschaft verwurzelte Vorstellungen und Menschenbilder anregen, in denen queere Identitäten oft noch kaum Akzeptanz erfahren. Ziel meiner künstlerischen Arbeit ist es, das Publikum zu inspirieren und zu einem kollektiven Heilungsprozess beizutragen.

Foto: Thomas Mayer

Die mobile Version verlassen