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Frankreichs Nationalheldin, Die Jungfrau von Orléans, hat viele Gesichter: 1431 als Ketzerin auf dem Scheiterhaufen verbrannt, 1920 heiliggesprochen, war sie eine charismatische junge Frau, die sich über alle patriarchalischen Strukturen ihrer Zeit hinwegsetzt. Sie war Prophetin wie Gotteskämpferin im Hundertjährigen Krieg, aber auch Heranwachsende mit erwachendem Gefühlsleben.

Pjotr I. Tschaikowski war von ihr derart fasziniert, dass er unter anderem basierend auf Schillers Tragödie den Text für seine »Orleanskaja dewa« selbst verfasste. Heraus kam eine mitreißende Partitur, die mit leidenschaftlichen Arien und eindrucksvollen Chortableaus Aufstieg und Fall der Titelfigur zwischen politisch-religiöser Mission und widersprüchlichen Gefühlen beglaubigt und heute zu Unrecht selten erklingt.

Am Saarländischen Staatstheater wird Tschaikowskis »Jungfrau von Orléans« vom Musiktheaterkollektiv »Hauen und Stechen« in Szene gesetzt. In der freien Theaterszene Berlins großgeworden, arbeitet das Kollektiv längst an größeren Häusern und sorgt mit seinen performativen Arbeiten immer wieder für Furore – 2022 wurde seine Interpretation von Paul Dessaus »Die Verurteilung des Lukullus« an der Staatsoper Stuttgart für den Theaterpreis »Der Faust« nominiert.

Für Regisseurin Julia Lwowski ist Johanna von Orléans eine »imponierende, wahnsinnig

moderne Frau«. In Vorbereitung der Inszenierung hat sich Lwowski eingehend mit der historischen Figur Jeanne d´Arcs auseinandergesetzt: » Durch ihre Aussagen in den Prozessakten kann man Johanna gut kennenlernen und nachvollziehen«, so die Regisseurin. »Darin kann man eine wunderbare Frechheit und auch einen Humor lesen. Die Tatsache, dass sie Männerkleider anlegt, macht sie in dieser Zeit der starren patriarchalen Strukturen singulär: Sie begeht eine Zeichenhandlung, die das ganze System in Frage stellt.«

Eine der Besonderheiten der Saarbrücker Opernproduktion: Die »Jungfrau von Orléans« wird hier in einer neuen russisch-ukrainischen Mischfassung aufgeführt – neben dem russischen Originaltext wird passagenweise auch auf Ukrainisch gesungen. » Für mich als Deutsch-Ukrainerin war es undenkbar, einen Stoff nur auf Russisch ohne eine kritische Reflexionsebene zu inszenieren«, so Julia Lwowski. »Den russischen Angriffskrieg in der Ukraine als Folie über das Stück zu legen, ist perfiderweise naheliegend: Ein geknechtetes Volk im Kriegszustand sehnt sich nach Freiheit. Das ist das Setting des zweiten Aktes in unserer Inszenierung. Andererseits möchten wir Johanna als eine

überzeitliche Figur zeigen, die sowohl in der Vergangenheit, als auch der Gegenwart und der

Zukunft zu Hause ist und überall für die Veränderung des patriarchalen Systems kämpft.«

Oper in vier Akten von Pjotr I. Tschaikowski | Libretto vom Komponisten nach Friedrich Schiller, mit Übertragungen ins Ukrainische von Maria Buzhor

In russischer und ukrainischer Sprache mit deutschen und französischen Übertiteln



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