Es ist ein sonniger Frühlingstag in Luxemburg. Am Abend werden im Grand Théâtre de la Ville de Luxembourg Les affaires sont les affaires gespielt, inszeniert von Claudia Stavisky, doch im Haus geht es ganz ruhig und entspannt zu. Jemand hat einen Kuchen in den Gemeinschaftsraum gestellt. Michelle Bevilacqua, verantwortlich für die Kostüm-, Make-Up- und Requisitenabteilung, empfängt mich am frühen Nachmittag in ihrem Büro. Es ist herrlich farbenfroh und hell. Ihre Kollegin hat ein Meeting, also sitzen wir zwischen Plänen und Make-Up-Produkten. Köpfe aus Styropor wachen über uns.
Liebe Michelle, vielen Dank, das du uns heute in deinem Büro empfängst. Könntest du dich und deine Arbeit zu Beginn vorstellen?
Mein Name ist Michelle Bevilacqua und ich habe Bühnenbild-und Kostümwesen in Nottingham in England studiert. Nach meiner Rückkehr nach Luxemburg habe ich beim Film, als Koordinatorin des Art Departments, gearbeitet. Einige Zeit später habe ich hier im Großen Theater als Requisiteur, als Freelance begonnen. Zu dem Zeitpunkt war es wirklich notwendig hier jemanden in diesem Bereich zu haben, der diese drei Abteilungen leitet.
Um welche handelt es sich da genau?
Die Make-Up-, Requisiten-und Kostümabteilung. Ja, und so bin ich in diese Rolle hineingeschlüpft. Meine Aufgabe ist es, für jede Produktion ein Team aus Freelancern in diesen drei Bereichen zusammenzustellen. Zum Beispiel: Es kommt eine Oper rein und wir brauchen zwölf Make-Up-Artists für diese Oper, dann ist es mein Job, diese zwölf Leute zu finden und dann vertraglich kurzfristig für diese Produktion einzustellen. Genauso für die Kostüm-und Requisitenabteilung.
Kommen diese Freelancer nur aus Luxemburg oder auch aus Deutschland oder Frankreich?
Aus Deutschland, Frankreich, manchmal auch aus Belgien, das hängt davon ab. Ich habe eine lange Liste (lacht). Aber klar, zuerst einmal probiere ich hier vor Ort jemanden zu finden, doch wenn diese alle anderweitig gebucht sind, suche ich auch im Ausland.
Und wie lange arbeitest du jetzt schon in diesem Haus?
Also wenn ich meine Freelance-Zeit mit einbeziehe, habe ich 2005 hier angefangen tätig zu sein.
Immerhin! Das sind schon einige Jahre! Sag Michelle, was ist das Erste, das du früh machst, wenn du im Theater ankommst?
Das ist immer ganz unterschiedlich. Das erste ist natürlich, die E-Mails zu lesen, aber manchmal, wenn eine Produktion schon sehr zeitig ankommt, gehe ich erst einmal in Richtung Bühne, um nachzusehen, wo sich die Kostüme befinden, ob die Ankleiderinnen schon im Haus sind und noch etwas benötigen, ob sie noch Hilfe brauchen… Und das bezieht sich natürlich auf die drei Abteilungen.
Welchen Herausforderungen stellst du dich in deinem Beruf?
Oh, das sind die Ablaufpläne. Im Allgemeinen bekommen wir die immer zugeschickt, aber manchmal stimmen sie nicht überein. Man muss wirklich sehr flexibel sein und immer versuchen, das Beste daraus zu machen.
Natürlich.
Im Vorfeld einen Ablaufplan für eine Kreation zu erstellen, ist delikat, denn man weiß nie, was da in den nächsten Wochen noch so auf einen zukommt. Aber klar, in der letzten Probenwoche stelle ich das nötige Personal ein. Alle, die daran arbeiten, werden in den Entstehungsprozess einer Produktion eingebunden.
Gibt es eine Sparte für die du am liebsten die Vorbereitungen triffst?
Das sind die Opernproduktionen. Dann ist das Haus voll und ich kann alles ordentlich und schön organisieren und herrichten. Zum Beispiel werden manche Räume umfunktioniert. Aus Proberäumen werden Ankleidekabinen für den Herren-und Frauenchor und wir stellen Schminktische auf. Meine Kollegin Ani und ich stellen uns immer wieder gern dieser Herausforderung, die Raumlichkeiten unseren Bedürfnissen anzupassen. Im Moment bereiten wir Simon Boccanegra vor, eine Koproduktion unseres Hauses.
Wo werden die Bühnenbilder gelagert?
Am anderen Ende der Stadt. Hier im Haus haben wir ein Lager für die Accessoires, das kann ich dir gern zeigen! (Nun strahle ich über das ganze Gesicht.)
Was macht dir an deinem Beruf Freude?
Das sind allerlei Sachen. Die Kommunikation mit neuen Leuten, die hier ins Haus kommen. Das ist immer spannend mitzuerleben, wie französische, deutsche oder englische Produktionen funktionieren, organisiert sind. Schließlich handelt es sich um verschiedene Häuser, Menschen, Kulturen. Jeder arbeitet anders und das zu entdecken macht immer Spaß.
Das kann man sehr gut auch hier im Haus spüren. Euer Team unterhält sich in vier Sprachen und das auch noch gleichzeitig.
Oh ja und manchmal sogar mehr als vier! Ich persönlich spreche noch holländisch und italienisch.
Wie würdest du in drei Adjektiven euer Haus beschreiben?
Es ist ein multikulturelles, faszinierendes und aktuelles Haus.
Und wie würdest du euer Publikum charakterisieren?
Also ich stehe ja nicht in direkter Beziehung zu unserem Publikum, weil ich eher in den Kulissen arbeite, aber ich denke, dass wir ein wirklich unterschiedliches Publikum haben. Von sehr jung bis alt, und auch sprachlich, kulturell gesehen. Es geht hier wirklich multikulturell zu. Das liegt vor allem an unserem Programm und das ist wirklich schön!
Gibt es eine Veranstaltung die in diesem Jahr dein Herz erobert hat?
Also, da fällt es mir schwer mich festzulegen. Begeistert bin ich immer vom Nederlands Dans Theatre, die kommen schon seit einigen Jahren zu uns und dann gibt es noch die Choreografien von Pina Bausch. Wie du siehst, sind es die Tanzveranstaltungen, die ich bevorzuge (dabei funkelt es in den Augen von Michelle). Aber die Bühnenbilder betreffend lasse ich mich auch gerne hin-und wieder von Theaterstücken begeistern. Wir hatten Osage County im Januar 2015 und vor Kurzem Les Autres, das war eine eigene Kreation und das Bühnenbild war wirklich interessant. Ich muss aber gestehen, nicht bei jeder Veranstaltung dabei zu sein, denn es sind ja so viele!
Das stimmt allerdings! Hast du einen Lieblingsplatz im Saal?
Da wo noch etwas frei ist. Zum Glück gibt es keine schlechten Plätze in unserem Saal.
Noch eine letzte, neugierige Frage: Gibt es andere Veranstaltungsorte, die du in Luxemburg aufsuchst und unseren Lesern empfehlen kannst?
Oh, da gibt es sehr viele in Luxemburg! Gelegentlich trifft man mich in der Rockhal oder im Kino. Manchmal auch in der Abtei Neumünster.
Oh nein, warte, ich habe doch noch eine letzte Frage: Wo siehst du dein Theater in ein paar Jahren? Was wünschst du dir für eurer Haus?
Ich hoffe, dass das Theater so bleibt, wie es ist (lacht herzlich). Irgendwie ist man ja stolz, dass man an so einem schönen Ort arbeiten kann. Es ist ein wirklich schöner Arbeitsplatz. Manchmal ist man sich dem nicht so bewusst, weil man den Kopf voll Arbeit hat… Dann sollte man kurz innehalten und sich sagen: Was hast du nur für einen schönen Arbeitsplatz! Doch sind es in erster Linie die Gastproduktionen, die wir einladen, die uns immer daran erinnern und denen ich dafür danke.
Was für ein schönes Schlusswort! Vielen Dank liebe Michelle für dieses Gespräch!
Michelle zeigt mir daraufhin das Accessoires-Lager, von den Mitarbeitern auch „der Schatz des Ali Baba“ genannt. Hier findet man alles: Boxhandschuhe, Bücher, Gehstöcke, Puppenwagen, Essbesteck. Sie zeigt mir ihre Lieblingsstücke: barocke Kerzenständer und ein Teeservice. Wenn das nicht an die Schöne und das Biest erinnert… Oder, in diesem Fall: die Schöne im Requisitenschlaraffenland! (J.L.)
Informationen zum Programm auf der Homepage der Théâtres de la Ville de Luxembourg