Sind die kulturellen Gewohnheiten auf beiden Rheinufern gleich? Zwei unserer Nutzer, Ellen Koppitsch aus Freiburg und Coline Trautman aus Straßburg, verraten uns ihre Erfahrungen und schenken uns ihren ganz persönlichen Blick auf die grenzüberschreitende Region in der sie leben. Zwei subjektive und dennoch aufschlussreiche Ansichten.
Wonach suchen Sie, wenn Sie zu einer Aufführung gehen?
Ellen: Ich möchte vor allem unterhalten werden, mich amüsieren und vom Alltag abgelenkt werden, der doch gelegentlich sehr eintönig sein kann. Zwischendurch habe ich auch mal Lust nachzudenken und beteilige mich beispielsweise an einer politischen Diskussion. Ich finde es wichtig über den Tellerrand zu blicken und sich in etwas Neues zu stürzen.
“Es ist wie als würde ein Freund zu mir sagen: “Du kannst das, das oder das anschauen”
Haben Sie durch die verlosten Karten von szenik neue Aufführungen entdecken können?
Ellen: Von selbst wäre ich nie auf die Idee gekommen eine Karte für das Stück Agonie und Ekstase des Steve Jobs zu kaufen. Mit dem Gewinn habe ich etwas Neues entdeckt und wurde positiv überrascht.
Coline: Ja, ich konnte dadurch viele Neuentdeckungen machen. Das angenehme ist, ich muss mich um nichts kümmern, nichts im Voraus aussuchen. Ich kann sicher sein, dass die Aufführungen von guter Qualität sind, dass jemand bei der Auswahl der Stücke nachgedacht hat und sich die Mühe gemacht hat sie zu programmieren. Das könnte man mit einem guten Freund vergleichen, der dir sagt “Du kannst das, das und das anschauen”.
Agonie und Ekstase des Steve Jobs am Theater Freiburg – Foto: Maurice Korbel
Sind Ihnen kulturelle Unterschiede zwischen Frankreich, der Schweiz und Deutschland aufgefallen?
Ellen: In Frankreich habe ich das Gefühl, dass die Jazzkonzerte radikaler sind, es ist nicht so wichtig dem Publikum zu gefallen. Die Musik ist freier, genauso wie die Musiker selbst. In Freiburg scheint mir der Jazz angepasster.
Coline: Das Tollhaus in Karlsruhe erinnert mich an Wien, in der Art und Weise wie dort Kultur konsumiert wird. Während eines Konzerts des Erik Truffaz Quartets habe ich besonders die kleinen Räume geschätzt, die der Veranstaltung einen intimen Charakter verliehen. Im Bezug auf die klassische Musik ist mir aufgefallen, dass die französischen Musiker oftmals nur bekanntere Stücke oder gewisse Ausschnitte interpretieren, während die Deutschen von A-Z spielen und damit die Gesamtheit der Werke wahren.
“Sobald ich die Grenze überschreite, habe ich das Gefühl im Urlaub zu sein”
Haben Sie das Gefühl in einer besonderen Region zu wohnen, hier am Oberrhein? Und ist diese für Sie ein Vorzug?
Coline: Ich würde eher sagen, eine privilegierte Region. Ganz bewusst habe ich mich dazu entschlossen wieder nach Straßburg zu ziehen, aufgrund der deutsch-französischen Kultur und dem reichhaltigen Kulturangebot.
Ellen: Ich liebe es so nah an Frankreich und der Schweiz zu wohnen. Diese Nähe ermöglicht mir mehr vom Nachbarn mitzubekommen und immer informiert zu sein. Die Unterschiede in der Lebensart und auch in der Kultur erwecken in mir den Eindruck im Urlaub zu sein, sobald ich die Grenze überschreite.
Erik Truffaz Quartet im Tollhaus Karlsruhe
Entmutigen Sie die Sprachunterschiede den Rhein zu überqueren?
Ellen: Nein im Gegenteil, für mich ist die Sprache eine Bereicherung. Es fängt schon beim Klang an: Während das Deutsche eher hart und rau klingt, wirkt das Französische melodischer und strahlt eine leichtere Lebensart aus. Mir gefällt es besonders, dass die Kinder am Oberrhein französisch als erste Fremdsprache in der Grundschule lernen. Es ist wichtig, dass das gegenseitige Verständis weiterhin wächst. Meine Französischkenntnisse reichen zwar nicht aus um ein Theaterstück zu verstehen, dennoch würde mich das nicht davon abhalten es auszuprobieren. Die Inszenierung sowie die Musik, Bewegungen und Stimmungen sind dabei mindestens genauso wichtig wie der Dialog.
Coline: Ich bin davon überzeugt, dass die szenik Nutzer bereits einen deutsch-französischen Hintergrund mitbringen. Da ich fließend Deutsch spreche ist die Sprache für mich kein Hindernis und ich würde daher auch ein deutsches Theaterstück anschauen.
Was war Ihre Lieblingsstück in dieser Saison?
Coline: Gandini Juggling, ohne zu zögern. Anfangs haben mich die gewonnen Plätze wirklich nicht angesprochen. Ohne die kostenlosen Karten hätte ich diesen unglaublichen Abend verpasst. Ich habe ein vollkommen neues Format entdeckt, das Jonglage und Ballet kombiniert. Sehr gefallen hat mir außerdem das Festival Premières. Es handelt sich um ein Festival, dass die ersten Kreationen junger Theaterregisseure vorstellt, mit Ensembles aus aller Welt. Alle Stücke waren in mehr als drei Sprachen untertitelt.
Ellen: Agonie und Ekstase des Steve Jobs, ein expirimentelles Theaterstück am Theater Freiburg. Das Stück wurde unter dem Dach des Gebäudes gespielt, auf einer Bühne, die sich auf gleichem Niveau mit dem Publikum befand. Ich war sofort fasziniert von diesem unkonventionellen und abwechslungsreichen Spielort.
Von Laure Moutarlier und Carole Scheffels